Paganini´s...

Motto von Paganini, dem Kater:
"Es lebe die totale Subjektivität des Feuilleton!"

Montag, 20. Dezember 2021

"Die wunderbare Mythologie!" XIV. Teil:

Asklepios und der Götter Zorn (auf die Heilkunst)


Asklepius @CC


Ja, die wunderbare Mythologie!

In loser Folge will Paganini´s ein Streiflicht darauf werfen, so wie die
Mythologie von jeher das Dunkel unserer (Menschen-)Welt durchleuchtet hat.
Sie fand die Chiffren für das Prinzip, das uns bewegt:
Das Schicksal des Menschen, ein Mensch zu sein!
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Ach, die Familie. Die Familie und ihre Leichen (im Keller).
Das Leben des kleinen Asklepios beginnt wahrlich mit einer Tragödie.
Rausgeschnitten wird er, aus der toten Mutter Unterleib.
Denn untreu war sie, die holde Königstochter Koronis, dem vielbegabten Apollon.
Vater des nun plärrenden Kindes. 
Weiße Krähen entsandte dieser, die Geliebte einst zu bewachen.
Nun taucht er sie in schwarze Farbe, bedeckt sein Gesicht mit dem Ruß des Trauernden.

Doch der kleine Asklepios lebt. Chiron, der Weise, der Verwundete, nimmt sich des
hilflosen Knaben an. Und Asklepios schaut, hört zu, wächst, gedeiht und lernt:
Die Heilkunst für Mensch und Tier sind fortan sein begnadet Metier!
Chirurgie und Kräuterkunde, Feldenkrais und Aderlass - alles kann er, alles macht er, 
noch mehr weiß er. Ob Diät oder Kur, Hypnose oder Organverpflanzung - Asklepios beherrscht es und tut. 
Tut Gutes, rettet Leben, befreit vom Schmerz und erweckt (ohjeohje) einen
Toten erneut zum Leben. 

"Das reicht uns!" hört man der Götter Geschrei. Und Hades persönlich beschwert sich
bei Gottvater Zeus: "Wohin führt uns das Wirken des vermaledeiten Hurensohns?
Ich bin bald arbeitslos 
in meinem Untertage-Bau"!
Zeus, nun selbst echauffiert ob dieser Selbstermächtigung des klugen Mediziners, greift zum 
letzten Mittel (dem Blitz), um Asklepios durch Tod vom rivalisierenden Schaffen an der
Unsterblichkeit zu hindern. Des Menschen Los bleibt damit für immer die "Grenze". 
Auf alle Zeit und unüberwindbar. Von keiner Heilkunst zu unterminieren. 

Durch die Hintertür, ganz heimlich, darf der Asklepios ( samt Stab und Schlange)
nach seinem willkürlichen Ableben dann doch in den Himmel der Gottheiten einziehen. 
Da faulenzt er seit dem und bis heute. 
Schert sich nicht mehr um des Menschen (Un-)Sterblichkeit!

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...und was lernen wir aus dieser uralten Geschichte?
Nichts, aber auch wirklich gar nichts hat sich verändert.
Seit Ur, das der Anfang war !




Und wir, die Paganini´s-Redaktion, wünschen mit dieser neuen Episode
unserer traditionellen, jahresendenden "wunderbaren Mythologie", eine großartige Weihnachtszeit 
sowie ein ganz neues, ein erfülltes und leichtfüßiges Jahr 2022!
 
Miau and Good Luck!

Dienstag, 9. November 2021

Der wunderbare Buchanfang: XXXIV. Teil

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Diesmal ein Buch, das in seinem Erscheinungsjahr 2019 sofort für Furore sorgte und die Bestsellerlisten erklomm. Für uns ist es erst jetzt das Buch zur (noch immer pandemischen) Stunde. 
Die Rede ist von Sibylle Bergs "GRM. Brainfuck."


Das Jahrtausend
Begann lausig.
Es gab keinen Computerbug.
Es gab keine verdammte Katastrophe.
Dabei hatten sich die Bewohner der westlichen Welt darauf gefreut, dass nach den
unendlich öden 90er Jahren endlich etwas passieren würde. Etwas, das nicht mit einer Finanzkrise zu tun hätte, die nur für Investmentbanker eine Aufregung bereitstellte, auf  den letzten Metern vor dem Aufprall ihrer fitten Körper auf dem Asphalt.


Boncuk, der Redaktionschef, präsentiert Bergs "GRM"


Soweit der "wunderbare Buchanfang", der direkt in die Welt führt, in der die Dinge nicht mehr Dinge sondern Informatoren sind. Also ins - nur leicht überspitzte - Hier und Jetzt(?)!

Denn sogleich, wumms, folgt auf die oben genannten Jahre sehr wohl noch die eine oder andere Herausforderung, die für unsere Gesellschaft in 2021 mittlerweile Geschichte und Allgegenwärtigkeit geworden sind. Zunächst einmal beginnen DAS INTERNET und die SOZIALEN MEDIEN die Köpfe der Menschheit zu fluten ("es war die Zeit der massenhaften Falschmeldungsverbreitung, der Massenmanipulation."). 2011 folgt DER SCHOCK, DIE TIEFE WUNDE der westlichen Verbündeten und damit der Beginn einer neuen Dimension von Terror und Terror-Bekämpfung: "Ein Flugzeug flog ins Pentagon und hinterließ ein Loch im Gebäude.(...) Zwei andere Flugzeuge landeten in Hochhäusern. Die Hochhäuser fielen in sich zusammen, und schon wieder sprangen Menschen aus den Fenstern." 
Es entstehen (auch dadurch) neue Kriegsschauplätze, aus denen sich wiederum u. a. Geflüchtete in den gelobten Westen wünschen. Als polare Antwort kommt es flugs zu einer Zunahme der Fremdenfeindlichkeit sowie der Stärkung des rechten Populismus. Wenn die Sicherheit bedroht ist, dann gibt es kein Halten mehr. Eins folgt auf das Andere. Also in direkter Linie: Zum Heute.

In "GRM" ist die Gegenwart des Buchs (aus heutiger Sicht nur wenige Jahre nach vorne verschoben) eine handfeste DYSTOPIE. Die Sicherheit unserer Realität wurde rein faktisch noch durch ein Weiteres zerrüttet. DAS aber konnte Sibylle Berg, die Erschafferin dieser dystopischen Schau, noch gar nicht wissen. Denn im Erscheinungsjahr 2019 kannte, sorry, um im Jargon zu bleiben, noch kein Schwein unsere inzwischen lebensbestimmende Pandemie, niemand im Westen ahnte dieses CORONA. Frau Berg dachte sich dennoch- sozusagen als Brücke vom "Heute" in die Gegenwart von "GRM" hinein - "... eine Welle der japanischen Enzephalitis. Jeden Tag gab es einen bis mehrere Berichte über die grauenhafte Bedrohung. Eine furchterregende Krankheit mit zu erwartenden Todesopfern im Zehntausender-Bereich.(...) Die Impfung war obligatorisch". Und wieder ein: Wumms!

Nun also haben wir, die Paganini´s-Redaktion, diesen literarischen Schuss erst jetzt gelesen. Das macht wahrlich nicht nur Spaß, doch wer bitte, ist so naiv, dass er denkt, eine Dystopie sei da, um Spaß zu erzeugen. Der Spaß kommt allenfalls über den Umweg der Freude am Entsetzlichen. Also am Horror. Dieser bietet bekanntlich als Genre durchaus Unterhaltung.
Allerdings zerschlagen "Frau Sibylles" prognostische Fähigkeiten den Genre-Begriff. Die tief gehende und weit reichende Informiertheit der Autorin lässt "GRM" zu einer Lektüre werden, in der man sich als Leser*in kaum mehr in die Comfort-Zone der Leser*innen retten kann.

"GRM" erinnert viel zu sehr an einen Zustandsbericht und eine Momentaufnahme unserer Zeit. Und folglich ist das Szenario (wenngleich leicht überspitzt) durchaus vertraut. Im Vertrauten richten wir Menschen uns ein. Das Vertraute nennen wir Heimat. Mit dem Begriff Heimat wird der Horror ausgetrieben. In "GRM" führt eben dieses "sich einrichten" im Ungeheuerlichen, zur schleichenden Katastrophe der Menschheit. Dies Buch ist wirklich nicht geheuer. Dafür vollständig integer!

Die Frage, die sich mit "GRM" stellt, ist nicht nur die Frage nach unserer (mittlerweile weitgehend menschgemachten, also künstlichen) Welt. Sondern (und hier mischt sich große Skepsis mit einem minimalen Hoffnungslichtlein) die eigentliche Fragestellung lautet: Was ist der Mensch? 

Mit den Antworten sieht es durch die Brille der Autorin (und in dieser Lektüre) wahrlich rabenschwarz aus. (Mit dieser Metapher ist selbstredend mehr über den Menschen verlautbart, als über den pechdunklen Vogel). Wer ist "schuld" und was ist zuerst: Der Mensch oder die vom Menschen erzeugte Umwelt/Menschenwelt? Beides ist hier weitgehend ohne einen Hauch von erkennbarer (Mit-)Menschlichkeit.

Wenn bereits mit Sibylle Bergs Roman "Sex2" (1998) der Mensch als ein großstädtisch Entmenschter  (entmenscht im Sinne eines vielleicht nur utopischen Menschlichkeits-Ideals) erschien, so ist er in "GRM" zu einem technikaffinen (letztlich dennoch hirnlosen) Psychopathen mutiert. Sadismen und frühkindliche Sicherheitswünsche gehen Hand in Hand mit Macht-Fantasien. Für Hoffnungen und Utopien lässt die Autorin keinen Platz. Und doch glimmen in DEN KINDERN (also den GRM-Protagonist*innen) ab und an geradezu rührend anmutende Rest-Erinnerungen an erloschene Möglichkeiten auf, die solch eigenartige Namen haben wie "Wärme" oder "Liebe". Da äußern sich rudimentär vorhandene Vorverständnisse menschlicher Bedürfnisse, die in dieser Welt von "GRM" keine Wahrheit mehr haben:
 "Die Drogen" (die Hormone, Anm.) "lassen dich glauben, dass dieser Mensch etwas ist wie die Eltern, die du nie hattest, die Eltern, die der Mensch nie hatte, dass ihr euch wärmen würdet wie kleine Katzen. Das gesamte Leben lang". 
Doch alles bleibt flackernde Illusion. Träume sind längst aus der Welt verschwunden.

Nicht nur die Intelligenz, die Voraussicht und die inbrünstige Warnung, die in diesem Roman liegen, machen das Buch so lesenswert. Nein, erst recht sind es diese seltenen Brüche, in denen Poesie und Romantik aufblitzt. Und eine berechtigte WUT, die tiefer Trauer gleicht, um nicht zu (Er-) Lebendes: Grime also.
Wenn der Menschheit nicht zu trauen ist, wem dann?
Im Fall dieses Buchs zumindest: Der Kunst!




Mehr zu "GRM. Brainfuck." -> HIER
Aktuelles von Sibylle Berg z. B. -> HIER

Samstag, 6. November 2021

Das wunderbare TickTackTakTik ...

...nun neu aufgelegt als Print-Book und als E-Book!


(Aus Gründen der  "NEUAUFLAGE IN LEICHT ÜBERARBEITETER VERSION" bringen wir den Post aus 2015 hier nochmals - Dazu die News zur Neuauflage am Ende des Posts)

Es geht um Künstler: und Geld. Um Schöne und Reiche: und Geld.
Um die Verführbarkeit: durch Geld.
Kurz: es geht um Glück, Erfüllung und Liebe. Mit und ohne Geld!

"Wir Drei, Luise, wir sind modernes Prekariat! Das weißt du. Das weiß ich. Das weiß Lars Dietrich! Und Luise denkt: TickTackTakTik! Kommt Zeit, kommt Rat!" 


TickTackTakTik
Ein Prekariatsroman


Klappentext:
TickTack-TakTik! So nennt Luise die Hoffnung, dass sich das mühsame Geschäft mit ihrer Esoterik- Hotline irgendwann auszahlen wird. Mit ihr hoffen das auch „Lars und Lars“, Kleinkunst-Helden aus Berlin. Auch Luises Background ist kreativ, aber pekuniär erfolglos. 
Das moderne „Prekariat“ kämpft ums Überleben, benutzt fragwürdige Taktiken und streift dabei das Leben der Schönen und Reichen. Und doch erwächst aus dem Chaos verschwimmender Identitäten ein gewisser Sinn! Ein Berliner Schelmen-Roman, aus dem Künstler- und Esoterik-Milieu der Hauptstadt.


Erste Pressestimmen

O-Ton, Paganini, der Kater, in seinem neuen ZDF-Sendeformat Vier Pfoten für die Literatur:

Wahrlich! Ein Prekariatsroman!
Endlich und gar nicht unendlich!
Auf 172 durchaus vergnüglichen Seiten, hypnospeakt (plaudert) die - mir nur allzu gut bekannte - Redakteurin, ääähm, Autorin, über Liebe, Künstler, Esoterik und all den Firlefanz, mit dem Berliner Leben und modernes Leben angeblich einhergehen.
Die Protagonisten sind allesamt aus der Klischee-Schublade herausgezogen, allein die omnipotente Figur des - als  "Strippenzieher" benannten - Literaturkritikers, beeindruckt (im letzten Viertel des Romans) durch Facettenreichtum und Tiefgang.
Dennoch: Ein gewisser Charme ist dem Werk - das sich zwischen Trash und Mainstream bewegt - nicht abzusprechen!

Eine abgründige Schmonzette, die Jeder kennen muss!
Kaufen! Unbedingt Kaufen!

P.S.: Paganini, der Kater,  ist auch Herausgeber dieser kleinen Scharlatanerie!
Merke: Die Paganinis lassen das Prekariat nicht allein!

Anmerkung d. Redakteurin: "Ich hatte einfach Lust auf Soap-Opera, aber einmal ein bisserl different!"
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Nochmals erwähnt sei, dass wir nicht zu denen gehören, die bereits die "richtigen" Verlage auf sich aufmerksam gemacht haben. Nein, hatten wir Scheu. (Oder ausführlicher: "Sehnsucht" hatte in der Person einer Verlegerin sehr schnell eine Interessentin, die dann aber ("Surprise, surprise") eigentlich ein ganz anderes Buch geschrieben haben wollte. Danach hatten wir also tiefste Scheu.)
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Nun die NEWS: In der aktuellen Neuauflage wurden ca. sieben Sätze verändert - darunter gleich der erste - sowie eine längere Passage aus dem zweiten Absatz gestrichen. Den Rest haben wir mit allen Eigenwilligkeiten belassen, damit "TickTackTakTik" nicht zu mainstreamig und verwechselbar zum Leser kommt.

Wir lieben nun endlich unsere Bücher wieder. 
Vielleicht ist Abstand manchmal ganz gut.



BOD-Buchshop ---> "TickTackTakTik"    Amazon-Kindle ----> "TickTackTakTik"
BOD-Buchshop ---> "Sehnsucht"            Amazon-Kindle ----> "Sehnsucht"

Und überall, wo es Bücher und E-Books (auch Epub) online gibt!


NACHTRAG: Die FEED-BACKS zu den Büchern sind gewachsen und wunderschön (sowie sehr individuell und einzigartig zu den dahinter stehenden Lesern passend).
Sie werden nun auf der FEEDBACK-Seite gebündelt. Pardon, wenn  einer durch die Maschen fällt, dann ist das niemals Absicht! ---> HIER zur Seite

Montag, 27. September 2021

Aus der wunderbaren Kladde ...

...der Paganini´s-Redaktion!



foto@CC


IKARUS SCHUH

Meine Füße wollten fliegen
nur ein bisschen
keine Füße sein
die auf der Erde schreiten
dafür fliegen, fliegen
in den Wolken
in dem Blau
eines Himmels
wollten sie:
Nun stecken sie
im festen Schuh
strecken sich zur Decke
Zeh für Zeh
versinken vor Scham
im Boden!



Samstag, 21. August 2021

Der wunderbare Buchanfang: XXXIII. Teil

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Heute ein Buch, welches das Große ins Kleine packt.                      
                     "Gelati! Gelati!" von Martin Lechner und Tobias Premper

Im Streichelzoo


Die Hufe sanken in den Sand. Aber das Pferdchen rührte sich nicht. Bloß die Mähne flatterte im Wind. Schon versanken auch die Beine und der Bauch. Und bald sah nur der Kopf noch aus der Erde. (...)

Bon Boncuk, der Kater, präsentiert "Gelati, Gelati"



So beginnt "Gelati, Gelati". Und es endet nicht wesentlich optimistischer und nicht weniger rätselvoll mit "Der Tag" und dem märchenhaft-dunklen Ruf: "Kuwitt! Kuwitt! Kuwitt!"

Diese Miniaturen scheinen allesamt aus einem Niemandsland kommend und in ein Niemandsland hinein führend. Und gerade deshalb sind sie so schön, so sehr dem Leben (in seiner Rätselhaftigkeit) verwandt und ohne Schrecken, auch wenn sie (teilweise) im wahrsten Sinne schrecklich sind. 
"Mit einer merkwürdig heiteren Erwartung, mit einer fast fröhlichen Gier habe ich lesend dem nächsten Hinscheiden entgegengesehen..." schreibt Georg Klein in seinem (wunderbaren) Nachwort 
Wir haben das (als Leser) auch getan. Wir hofften indes,  Lechner/Premper würden auf mehr verweisen.
"... mit jedem Meter, den ich weiter auf den Grund zu sank, sah ich den immer heller strahlenden Mond".
Nein, wir wurden nicht enttäuscht.
Ein großes, literarisches Ereignis. En Miniature!



Mehr zum Buch ->HIER


Wir pausieren. In Twitter sind wir in den kommenden 2 Wochen kaum präsent
 und hier im Blog sowieso...

Montag, 19. Juli 2021

Das wunderbare Pausenbrot ...

 ...der Paganini`s-Redaktion



@CC
Balancieren
auf einer Rasierklinge. Messerscharf unter den Füßen. Zucken, mit jedem Schritt. Zögern, da niemand weiß, wie das gut enden kann ... (A little Drama and lovely Holidays)



WEITERHIN FERIEN BIS ENDE SEPTEMBER

Samstag, 1. Mai 2021

Der wunderbare "Lear" und die "Politiker" ...

 ...in der Inszenierung von Sebastian Hartmann!

"Live-Stream-Premiere" des Deutschen Theaters Berlin


VORBEMERKUNG
 Eigentlich sollte schon damals die Bühnen-Premiere, vor diesen Ewigkeiten, also in 2019, unter "King Death" firmieren, wohlwissend, dass der Hartmannsche "Lear", hier liegend im Totenbett, nicht wirklich dem Shakespearschen "Lear" neues Leben einhauchen wird. Doch dann, und wen wundert es, blieb es eben bei der Nennung des Ur-Materials, dem "Lear" und dazu, hinten ran gehängt (aber sich im Nachhinein in den Vordergrund des Gesamt-Abends drängend) die "Politiker" von Wolfram Lotz
Heute, keine 2 Jahre später, in diesen Zeiten von Corona, gibt es eine neue Fassung als Live-Übertragung eines zeitgleichen Bühnen-Geschehens und somit die "Stream-Premiere". "King Death" findet in dem Einführungs-Video des Regisseurs zur überarbeiteten Bühnen-Fassung erneut Erwähnung, gehe es doch nun auch gesellschaftlich in besonderem Maße um die Frage, wie man dem Tod einen ihm gemäßen Respekt entgegen bringen könne. ---> siehe Video




Die Kritiken zur Premiere in 2019 waren nahezu durch die Bank so zweigeteilt wie der Titel des Abends. Mehr oder minder ein "Buh" bis "Naja" zum "Lear", dafür ein umso enthusiastischeres "Bravo" bis hin zum "Bravissimo" für die "Politiker". Die Paganini´s-Redaktion, dies sei erwähnt, hat die 2019-Inszenierung nicht gesehen, so dass die Vorfreude auf den heutigen Abend einerseits besonders groß ist, andererseits aber auch die bereits angelesenen "Urteile" im Kopf herum spuken.

Zuletzt total geflasht durch die Live-Stream-Premiere des Hartmannschen "Zauberberg", die durch die "Einladung" zum Theatertreffen allgemeine Anerkennung erhielt, muss dieser Abend nun damit leben, dass er mit diesem extrem berührenden und gelungenen Stream von Hartmann himself verglichen wird.

Außerdem wird heute genau unter die Lupe genommen werden, inwiefern die Neuinszenierung es schaffen kann, aus der aktuellen Situation tatsächlich stimmige Impulse in das Bühnen-Geschehen fließen zu lassen. Nun also "Vorhang hoch" und "Film ab" - es lebe der "Hybrid" aus Kino und Theater!
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NACH DEM STREAM-ERLEBNIS
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Puh! Nun erst einmal aufstehen, eine Runde durch die eigene Wohnung laufen, Katzen kraulen, einen Espresso trinken. Dazu das Fenster öffnen. Tief einatmen und tief ausatmen. Wieder Glieder recken. Nochmals den Pelz schütteln. Wach werden, wach werden. Aus der Bezauberung raus finden, aus der Betäubung raus, raus aus der Trance, weg von der Umklammerung dieses vollständig einzigartigen Abends. 
Wieder einmal hat Sebastian Hartmann und seine Crew es geschafft, sämtliche Erwartungen zu unterminieren und gerade deshalb einen echten Hartmann-Abend zu generieren. Jawohl, "KingDeath", das war der richtige Titel für diese ca. 100 Minuten aus Bildern, aus Rausch, aus Überforderung, aus Grenzgang, aus Sound, aus Überblendung, aus Schnitten, aus Animation (Tilo Baumgärtel-diese geniale Ergänzung des Regisseurs) und aus Film. 

Ähnlich durchwachsen, wie die Reaktionen der Zuschauer bei der Premiere 2019 im Publikum überliefert wurden, so sind sie diesmal im Chat zu lesen. Natürlich Lob für die Perfektion des Zusammenspiels von Dramaturgie, Schauspiel, Musik und Kameraführung. Hier und da eine sich überschlagende Begeisterung. Dazwischen allerdings für Stream-Theater auffallend viel Maulerei über den Sound-Teppich, der Worte schluckt und noch viel ärgeres Gejammer über die Unkenntlichkeit der Shakespearschen "King Lear"-Thematik. 

Und was macht Sebastian Hartmann, dieser Schurke? Er packt nicht mal seinen "Joker" der 2019-Inszenierung aus. Denn die "Politiker" fallen weitgehend wortwörtlich "ins Wasser". Nein, er wagt den "King Death". Es geht um den Tod. Um den Akt des Sterbens. Um die Flüche der Erben am Totenbett der Väter. Um die Verzweiflung und die Trauer eines endenden Lebens. Um den Zustand der Welt. Um den Zustand des Menschen. Um die Sehnsucht. Um das Unentrinnbare. Es geht auch um Politik. Um die Fragen der Verantwortung. Um den Hochmut des Menschen. Diesem Wahn nach Kontrolle. Seinem Verstoß gegen Welt und Natur. Und noch einmal, und noch einmal geht es um den Tod. Den Unbesiegbaren. Den letzthinnig Triumphierenden. Es geht um die Auslöschung. Und es geht um das Leben.
 
Immer wieder gibt es in diesem zweiten Live-Stream des Hartmann-Teams Zitate und Anklänge an den "Zauberberg". Der verzweifelte Schrei: "Wie soll man Leben!" ist hier wie dort zu hören. Auch ein Fatsuit zeigt sich. Ähnlich funktioniert das Zusammenspiel und die Wahl der künstlerischen Mittel, dies "Gesamtkunstwerk" gewissermaßen aus Worten, Musik, Spielern, filmischen Mitteln etca.p.p.

Vermissend vielleicht bei uns die Wahrnehmung, dass das (leere) Theater als Raum diesmal weniger sichtbar mit einbezogen wurde. Ein drehendes Rad (Schicksalsrad, Sonne und Spinnennetz), ein Krankenhaus-Interieur und Gänge, die überall sein könnten, nahmen dem Theater-Saal in diesem Stream sein charakteristisches Gesicht.

Dafür zauberhafter Einfall: Ben Hartmann bringt "Realität" in die Kunst-Bude, indem er auf seiner Gitarre "Ich will bleiben, wo ich nie gewesen bin!" schmettert. 
Am Ende Prozession der Schauspieler (den durchweg grandiosen!). Und wir verneigen uns.
Ganz großes Kino. Ganz großes Theater. Ein sehr würdiger "King Death".
Applaus, Applaus, Applaus!

Doch: Wie nun schlafen?





Mehr zu den Stücken und der Inszenierung --->HIER

Hier nun eine Sommer-Pause - Bis bald!

Mittwoch, 28. April 2021

Ein Hoch auf den Buchstaben ...



 
 
 
 

Tanz 


Tanzt ein Buchstabe auf weißem Papier, tanzt auf der Nase herum,
tanzt den Tanz des Gerechten und den Tanz der Gerächten
und den Tanz der zu Rächenden.
Winselt nie um Gnade und tanzt weiter
auf dem Tisch
 

Tanzt der Buchstabe in einem wild gewordenem Wort,
tanzt das Wort einfach tot und fordert:
Tanz aus Melancholie und durch Mord.
Im Irgendwo durch Irgendwen.
Aber bitte mit Text
 

Tanzen die Worte im Buch, tanzen das Auge entzwei,
tanzen den Tanz aus Sätzen und den Tanz von Texten
und den Tanz eines Buchstabens, der nicht sitzt
oder fehlt oder überflüssig geworden,
zu Grunde geht!







 

Mittwoch, 21. April 2021

Der wunderbare Buchanfang: XXXII. Teil

 

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Heute ein Buch, das von einer Schönheit ist, die nicht von dieser Welt zu sein scheint:


Cees Nooteboom, "Abschied"
(Gedicht aus der Zeit des Virus)


1

Dies fragte sich der Mann
im Wintergarten,
das Ende vom Ende, was könnte das
sein?
Etwas ganz ohne Kummer, dachte er
sich,
er schaute hinaus, sah eine Wolke, die
aussah

wie eine Wolke, bleigrau, zu schwer
für jede
Waage ...

I

Dit  froeg de man in de wintertuin zich
af,
het einde van het einde, wat kon dat
zijn?
Het leek hem geen enkele vorm van
verdriet,
hij keek naar buiten, zag een wolk die
er uit

zag als een wolk, loodgrijs, te zwaar
voor
elke weegschaal ...



Pati, das Katerchen, präsentiert "Abschied"


Nein, wir können kein Niederländisch. Und nach dem Kauf von "Abschied", diesem kostbaren Lang-Gedicht von Cees Nooteboom, seiner neuesten Publikation also, wollte uns ein inneres Teufelchen einreden, das Buch hätte doch, zum halben Preis und ohne diese Zweisprachigkeit, vollkommen genügt, um zu beglücken. Das wäre dann der goldene Preis-Leistungs-Schnitt gewesen, sozusagen. So dachten wir einen Augenblick nur, den wir nun verwünschen. Und für den wir uns bitter schämen. 

Denn nach der ersten Lektüre, auf deutsch verschlungen, werden wir nicht müde, das Original laut und leise in uns hinein oder vor uns her zu lesen. Endlich, endlich  hören wir den Klang, den Rhythmus, die Melodie des Gedichts, so wie es vom Dichter gedacht und ersonnen, zu Papier gebracht worden ist.

Und ja, auch wenn man, wie wir, kein Niederländisch spricht und auch keines versteht, so glaubt man dann im Lesen, das zuvor (und seit jeher kongenial) von Ard Posthuma in deutsches Wort Übertragene, hätte auf einmal Flügel bekommen. So dass ganz von alleine (einfach kraft des Dichters Kunst) das tiefe Verstehen (auch und gerade) in jener "exotischen"  Ur-Sprache, mit uns wäre.

"Und da erkannten wir die Feinheiten der Übersetzung. Und da erkannten wir die Feinheiten des besonderen Cees-Nooteboom-Klangs ..." (Boncuk, der Kater, vollkommen beseelt, in der Redaktionskonferenz.)

Ach, nun genug der Schwärmerei über den Suhrkamp-Druck in zweierlei Variante.

Hin zum Text, der wahrlich den plakativ angekündigten Untertitel "aus der Zeit des Virus" nicht nötig hat. 

"Die Toten suchen ein Haus". So hieß Nootebooms 1. Gedichtband. Es folgten "Kalte Gedichte" und "Schwarze Gedichte". Es braucht nicht das Virus, um nach dem "Ende vom Ende" zu fragen. Corona gibt darauf keine Antwort. Das Ende vom Ende ist seit jeher Gewissheit.

"Beginnt hier das Jenseits?"
Das liest Nooteboom (angeblich) als Poster auf einer menschenleeren Straße in Zeiten des Lockdowns.
Die Leere der Straße. Diese Frage. Gemalt auf einer Häuserwand. 
Die Atmosphäre von Vakuum.
Alles wirkt, wie Alles IMMER auf Nooteboom wirkt:
Anregend!

In "Abschied" geht es nicht um Corona, sondern es geht um Leben und Tod.
Und dem Tod kommt Nooteboom, mit seinen mittlerweile 88 Jahren, nahe. 
Er bereitet sich vor. Und er hat sich zeitlebens vorbereitet.

"Jetzt ist Stille
der Rest der Strecke,
ohne Erinnerung
kein Leben."

Der Autor wird vor unseren Augen, im Gedicht, 
transparent und löst sich (schreibend) auf.

Er vergeht und wird neu. Zum "Niemand".
Hier zunächst als Dichter.

Und das ist - da niedergeschrieben - ein großes Geschenk!


Montag, 15. März 2021

Aus der wunderbaren Kladde...

 ...der Paganini`s!



Foto@Paganinis, Neuköllner Oper



Monde

Der dritte Mond kommt von links. Ich staune nicht schlecht, als er sich
in mein Blickfeld 
schiebt und den zweiten Mond vertreiben will wie ein Gespenst. 
Der erste Mond hängt träge genau über mir.
Ich muss den Hals strecken, um in sein Licht zu schau`n.
Drei Monde kämpfen um meine Beachtung und scheuen sich nicht, von mir
durchschaut zu werden. Drei Monde und dazwischen mein Ich.
Es könnte schlimmer 
um mich steh`n!



P.S.: Wir werden immer und immer wieder nach dem "falschen" Apostroph in Paganini`s gefragt.
Wir heißen so. Das ist alles. Meow!

Montag, 8. März 2021

Der wunderbare Buchanfang: XXXI. Teil

 

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Heute ein Buch, das keine Werbung nötig hat, da aktuell in aller Munde:

Christian Kracht, "Eurotrash"

I.

Also, ich musste wieder auf ein paar Tage nach Zürich. Meine Mutter wollte mich dringend sprechen. Sie hatte angerufen, ich solle doch bitte mal rasch kommen, es war ganz unheimlich gewesen am Telefon.


Foto mit Cover by Paganini´s

 
Gemach, gemach, könnte der werte Leser, die werte Leserin nun denken: Ist das denn nun ein Paukenschlag von einem wunderbaren Buchanfang? Oder ist das, nüchtern betrachtet, vielleicht sogar weder ein Paukenschlag noch ein wunderbarer obendrein?

Christian Kracht ist so berühmt, so berüchtigt und so Kult, dass er natürlich mittlerweile sehr anfällig für kritische Betrachtungsweise, bis hin zu einem abfälligen "DEN lese ich nicht!", geworden ist. Was er sich freilich auch erst erarbeiten musste. Dennoch - oder gerade deshalb - stürzt sich die Meute der KritikerInnen Buch um Buch erneut auf ihn und rauf und runter in den Feuilletons wimmelt es dann von Kracht, Kracht, Kracht. 
Nun also dieses "Eurotrash" mit schickem, absolut "Arroganz" assoziierendem, Cover und das wird dieser Tage dann auch noch (von den meisten der namhaften Kultur-Seiten) mehr als nur lobend rezensiert. 

Wozu da noch ein "wunderbarer Buchanfang" in einem Berliner Kultur-Blog, wenn doch die ersten Zeilen von "Eurotrash" noch nicht einmal unbedingt selbsterklärend "ganz außerordentlich fabelhaft" anmuten könnten? Ist diese Blog-Redaktion derart verarmt, dass sie die ruinösen knapp 19 EURO für das E-Book zumindest in einem Post verwerten muss, ohne dass ihr, vom nicht existenten, Kassenwart das Fell über die Ohren gezogen wird? (Ja, wir sind, ganz nebenbei!)

Bevor wir, die Paganini´s-Redaktion, nun also auch einen ganz kurzen, enthusiastischen Senf zu Krachts Neuling in den Äther geben, sei darauf verwiesen, dass der Buch-Anfang - der nun doch über die hier abgedruckten Zeilen hinaus geht - sehr wohl ein Paukenschlag ist. Erstens.
Und zweitens: Die Redaktion hat sich im Laufe der (gar nicht langen) Lektüre, in dieses Buch verliebt. Ja, wir lieben dieses Buch geradezu. Nicht zuletzt, weil es ein liebendes Buch ist, das der Herr Kracht da hingeschrieben hat. Manchmal "hingerotzt", könnte man fast meinen, aber eben insgesamt brillant gekonnt niedergeschrieben. Und vor allem: LIEBEND!

Zum Ersten nun: Der stilistische Paukenschlag liegt im "Also", das auf den inhaltlichen Paukenschlag  des Buchanfangs verweist. "Dazu muß ich außerdem sagen, daß ich vor einem Vierteljahrhundert eine Geschichte geschrieben hatte, die ich aus irgendeinem Grund, der mir nun leider nicht mehr einfällt, Faserland genannt hatte". Bumm! Pauke! Bumm! 

Mit "Also" beginnt auch dieses hier erwähnte "Faserland", der Erstling dieses begabten "Schnösels" Kracht. Und wenn sich Christian Kracht gleich zu Beginn von "Eurotrash" zu eben dieser Autorschaft bekennt,  dann darf der Leser mit Recht im Weiteren Bekenntnisse, Bekenntnisse, Bekenntnisse erwarten. Die Bilanz eines großen Schriftstellers scheint hier angekündigt zu werden. Na, wenn das kein Paukenschlag ist, was bitte dann...?!

Zweitens: Die wirklich interessanten Bekenntnisse finden sich dann eher auf eine sehr bedeckte Art und Weise. Die Fakten der aneinander gereihten Familiengeschichte, väter- und mütterlicherseits, fühlen sich eigenartig "dahin erzählt" an. Die Nazi-Vergangenheit der Vorväter einerseits, das blasierte Angeber-Gehabe des neureichen Emporkömmlings (Vater) andererseits. Es fallen natürlich reichlich abfällige Bemerkungen, die aber etwas durchaus unpersönliches vermitteln, etwas allzu nahe liegendes für unser aller Blick als Gegenwärtige. Zumal diese Historie der Familie Kracht hinlänglich bekannt ist. Selbstzerfleischende Bekenner- und Aufarbeitungs- Lektüre, mit anschließender "Neuwerdung", liest sich normalerweise total anders. 

Und wenn genau hier, nach diesem 1. Viertel des Buchs, der Leser und die Leserin in Richtung leichter Enttäuschung tendieren wollen, da folgt eine Aufwärtsbewegung gen Fiktion und Himmel - sehr speziell, überraschend und toll - als würde Kracht nun erst lässig anfangen, mit den Flügeln der Literatur zu schlagen. Da trägt er die Leser mit sich fort, hinein in eine andere (und doch die gleiche) Geschichte. Und Mutter und Sohn kommen in Bewegung. Das Road-Movie beginnt.
 
Damit setzt die (bereits erwähnte) Liebe ein. Einmal die Liebe zur Mutter. Er denunziert sie nicht. Sie darf zur Fiktion werden (und damit lebendig!). Und noch einmal die Liebe zum Erzählen, zur Literatur. "Ich hatte immer gelebt in den Träumen, in den Gespenstern der Sprache". Zumindest für die kurze Spanne der Lektüre taten wir das auch. Ein schönes Buch!


Mehr zum Buch plus Rezensionen auf "Perlentaucher"--->

Freitag, 26. Februar 2021

Die wunderbare Mikro-Story...

der Paganini´s


DAS ENDE 

Sonderbar sein Gebaren, als ich ihm sagte, dass
ich nun gehen werde. Sonderbar sein Blick: lauernd,
getroffen und dennoch hinein gegeben in die größte
Passivität. Ein Lauern sollte auf dem Sprung sein.
Was ist ein Lauern ohne ein Worauf, ohne Spannung und
ohne das Warten auf den folgenden Impuls? Wozu ein Lauern 
auf etwas, das keinerlei Aktion herausfordert?
Sonderbar auch sein Gebaren, als ich ihm sagte, dass es mir
vielleicht leid tun könne. Irgendwann einmal.
Sonderbar nun sein Nicken. Unpassend dazu, die ins
Leere greifende Geste seiner Hand. Ohne Bezug
zur Bewegung des Kopfes. Dennoch keine Bitterkeit im Raum.
Ein Blick und ein Nicken. Dazu ein Lauern auf nichts.
Das ist, was vom ENDE übrig bleibt.



Boncuk, der Kater, in der Redaktions-Konferenz:
""Mikro-Story", meine geliebten Babys, meine Darlings, das ist das neue "Mini-Cabrio" der Literatur!"

Und ein erleichtertes Schnurren ward laut, in den Räumen der Paganini´s-Redaktion...

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Geplant: Jeden Monat 3 Mikro-Stories auf Paganini´s (Berlin). Wir schauen mal per Test, ob das läuft ...
Schicken Sie/Ihr/DU 1 Mikro-Story an info@annettebergh.de.
3 Stories werden für den April ausgesucht.
Link zur Autor-Page/Account inclusive, sonst leider (und natürlich) nix!

P.S.: Die "Planung" ist vorerst v. Leben "weg-geplant" worden, da wir in den kommenden Wochen an 1 neuen Projekt mitarbeiten werden und fürs Lesen, auswählen und schick präsentieren keine Zeit haben werden. Doch "aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Irgendwann auf ein Neues!

Montag, 15. Februar 2021

Aus der wunderbaren Kladde...

...der Paganini´s



Foto@Paganinis

Zwielicht

Krähe schreit Zwielicht entzwei
und ich hab doch nur dies,
um die Kontur zu entziffern,
die im Schnee sich duckt.
Da sitz ich, kneife die Augen, 
als sei ich geblendet und
fühle den Flügel. Im Schein des Mondes
fürcht ich mich (nicht). Mein Haus
steht ruhig im Tal. Hinter dem Fenster
das Licht. Es ruft mir ein Leben zu.


Samstag, 13. Februar 2021

Die wunderbaren "Metamorphosen"...

 ...in diesen, unseren Zeiten


Von der Paganini´s-Redaktion u. a. beobachtet bei der Planung zur Berlinale 2021 und in der Stream-Premiere der Volksbühne Berlin in der Inszenierung von Claudia Bauer

„Die Erschaffung des Menschen“ aus einem Druck der 
Metamorphosen von 1676 mit Illustrationen von François Chauveau


Metamorphosen überall. Wandlung allenthalben. Veränderung, wohin man schaut und hört. Wir leben, so möchte man meinen, im Zeitalter von Covid 19. Gesichter werden von Masken dominiert. Bussi Bussi ist perdu. Distanz seltsam in und up to date. My home ist  mein only castle. Das Leben in "Gefangenschaft" auf einmal ein herausragendes Zeugnis von Loyalität und sozialer Kompetenz. (Nein, wir wollen jetzt NICHT aufmüpfig oder polemisch werden!) Die Hippie-Frisur nennt sich Corona-Locke. Und die Kultur?

Nun, die Kultur breitet sich aus wie ein Schling-Gewächs, hinein ins WWW, ins Dickicht der Digital-Social-Polis-Plattformen. Und der Bär, dies uralte Maskottchen des (einstigen) Publikums-Kino-Festivals unserer Stadt, auch er hat sich erneuert und verwandelt und sieht nun aus wie etwas, das alles sein könnte was Ohren hat, nur nachts erwacht und auch da nicht erkannt werden will. Aber es trägt immerhin eine weiße Brille. Aber keine Maske. 

Metamorphosen überall. Wandlung allenthalben. So war es immer. So wird es ewig sein. Alles bleibt, nichts geht verloren. Es existiert weiter in verwandelter Gestalt. Denn Metamorphose ist ein Synonym für Leben. Dass die Veränderung sehr häufig nur die Form und nicht das inhaltliche Ur-Prinzip betrifft, zeigte sich dieser Tage in Sachen Berlinale. Und das ist gut so. 

Das sympathische Duo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian beugt sich natürlich den Bedingungen der Pandemie: Simsalabim. Aus 1 mach 2. So lautete hier die Devise zur erzwungenen Metamorphose. Im März also schauen sich Akkreditierte und Jury-Mitglieder die ausgesuchten Filme in einem (NEID, erstarre!) Kino an. Und im Juni darf dann das Publikum - so lautet der Plan - die Filme ebenfalls in ausgesuchten Kinos sehen. Die Gewinner der Bären sind dann allesamt bereits gewählt und bekannt. 
Darin lässt sich allerdings fast ein Eingriff in das ideelle Ur-Prinzip des Festivals ausmachen. Denn der Wettbewerbs-Charakter mit seinem besonderen Prickel und (Mit-)Fieber entfällt damit in der Totale. Wenig Veränderungs-Schock findet sich glücklicherweise bei der Auswahl der Filme. In der Sektion  Wettbewerb befinden sich 4 deutsche Produktionen (von Schrader, Brühl, Speth und Graf). Keine Amerikaner. Dafür "alte Bekannte" wie z.B. der gloriose Hong Sansoo

In Sachen Berlinale also eine moderate Mischung aus situationsbedingter Anpassung der "Gestalt" und vielen altbekannten Namen sowie bleibenden, inhaltlichen Prinzipien, wie es der politische Film, Dokus und auch Serien sind. Zu vermuten ist heute schon, dass das Seufzen über "fehlenden Glamour und Stars" in diesem Jahr ganz gewaltig sein wird, was dann aber eher einer Fortführung der Berlinale-Tradition entspricht, als einem Novum.
Zu bedauern wird weit eher sein: ein zu vermutendes Fehlen an Bezauberung und Atmosphäre!
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Eben dieses "Fehlende" begleitet bis heute verstehbarerweise die Angebote der Theater in diesen Zeiten der geschlossenen Häuser. Ist Theater noch Theater, wenn es nur aus dem Haus gestreamt wird, statt wie gewohnt, zu sich nach Hause einzuladen und der Abend gemeinsam mit dem Publikum unter ein und demselben Dach begangen wird? Fehlt da nicht diese viel beschworene Einheit von Raum und Zeit und überhaupt der echte Theater-Schweiß? 

Nun, die Theater haben eindeutig dazu gelernt. Hartmanns "Zauberberg" ist nun zum Theater-Treffen eingeladen worden, als genau dieser Hybrid aus Film und Schauspiel und hat uns (siehe Blog-Post) extrem begeistert. Daneben gab es einige großartige, eigens für das Streamen entwickelte Produktionen, so dass wir (die Paganini´s) wirklich aufrichtig hoffen, dass sich diese Metamorphose der "Theater-Vermittlung" auch später weiterhin und parallel zum live erlebten Bühnen-Treiben entwickeln darf. 

Und dennoch, ach je, wie tief sitzt die Sehnsucht nach dem Theater-Erlebnis mit und unter anderen Menschen, wie oft wirkte stur abgefilmtes Streamen lahm und muffig, wie ein siechender Körper nur, kraftlos und blutleer. Letzteres kann man der aktuellen Stream-Performance von der Volksbühne Berlin zumindest nicht vorwerfen. Die Regisseurin Claudia Bauer hat sich - gemäß dem neu ausgegebenen Motto der neuen Volksbühnen-Spielzeit "POLIS/RESET" -  mit Ovids mythologischem Sampler "Metamorphosen" befasst, um den ewigen Ur-Prinzipien der menschlichen Spezies, von den Anfängen bis ins Hier und Heute, nachzuspüren. 

In diesem Theater-Stream findet sich ohne Zweifel ein reif ausgeklügeltes Verhältnis von lebendiger, vielseitiger und stimmiger Kamera-Arbeit und theatralem Wiedererkennungs-Effekt. Das Bühnenbild zitiert mit den hohen, hölzernen Türen das Foyer der Volksbühne, Körper- und Musik-Theater erinnern an Arbeiten von Marthaler und Fritsch. Das Ganze dann interpretiert und übersetzt durch Bauers vitale Handschrift. Die Schauspieler (auf der als solche klar erkennbaren Volksbühnen-Bühne) tragen hautfarbene Gesichtsmasken. Das Interieur mit Schreibmaschine, Klavier oder Sesselchen, erinnert die spießigen Fünfziger. Fantasievolle (meist Kopfschmuck) Accessoires befeuern die Wandlung der "mythologischen" Gestalten.  

Die Stimmen gibt jeweils ein Spieler hinzu, ausschließlich (oft verfremdet) gezeigt auf einer (über den Köpfen der auf der Bühne Agierenden hängenden) Leinwand.
Nicht-Sprechen auf der Bühne passt zum aktuellen Hygiene-Konzept und erhöht den Eindruck des Surrealen, des Grotesken. Komplettiert wird das Ganze durch Musiker und einen Counter-Tenor, der herzzerreißende Barock-Lieder singt. 
Tatsächlich viel Ovid-Text ist zu hören. Dazu Texte aus (von Bauer "Kompliz*innen (Ovids) genannt)
diverser Gegenwarts-Literatur (z.B. Dietmar Dath, Donna J. Haraway, Bruno Latour, James Lovelock, Stefano Mancuso etca.). So schön, so gut!

Dieses Irgendwas aus Farce, Groteske und Revue ändert die Form und die Farben der Bilder so rasch, dass alles in Gefahr gerät, ins Beliebige abzugleiten. Gelungener Schauer versandet im Haha! des sogleich gesetzten, nächsten Sketch. Zu oft danken wir, die Paganini´s-Redaktion, dass es im Home-Theater möglich ist, an der E-Cigarette zu nuckeln oder einen Cracker zu naschen. 
Was uns in jedem Fall ein Mangel scheint, an diesem überbordenden "Theater", das ist das Fehlen der Leerstelle. Da gibt es zu keinem Bild und in keiner Sekunde Raum für eigene Assoziationen. Damit ist letztlich alles an Geheimnis mit dem Holzhammer der überdeutlichen "Message" erschlagen:
"Willkommen zum großen utopischen Schlussbild, gebaut auf den großen Trümmern, des großen Zauderns".
Jaja! Achso! Aha!

P.S.: Übrigens, soeben haben wir erfahren, dass das Bühnenbild (die Türen des Foyers) ein aus dem Archiv gekramtes "Zitat" einer früheren Pollesch-Inszenierung an der Volksbühne ist. Interpretiert wird das zur Zeit als Hinweis auf Sparzwänge im Jetzt. Wir interpretieren es als "Metamorphose" im Sinne "aus alt mach neu". Aber eigentlich ist das dem Kater samt Paganini´s-Crew ziemlich egal.




Mittwoch, 3. Februar 2021

Aus der wunderbaren Kladde...

 ...der Paganini´s-Redaktion


@CC

Im Tollhaus ist endlich mal wieder die Hölle los:

"Einsteign, bitteee, einsteign"!

Die Stimme bettelt fast darum, dass ich teilhabe. Ach, auf einmal. Das kenne ich doch schon ganz anders. Ganz anders kenne ich das bereits. Da durfte ich weder hinein, noch heraus und ward gezwungen (in endlose Unfreiheits-Ketten hinein gezwungen) aufrecht Männchen zu machen, um überhaupt nur einen Blick (durch gepanzerte Glasscheiben hindurch) in dieses ominöse Tollhaus hinein zu tun.
"Einfach so. Machen Sie mal. Es tut nicht weh!"
"Und warum?" funkte ich.
"Einfach deshalb". Weil ich ein Mensch sei. Hieß es.
"Ein wahrer Mensch", sagten Sie unhörbar, "müsse doch wissen, wie das geht, dieses Tollhaus, wie das funktioniert". Sonst habe das Ganze doch gar keinen Sinn, also keinen humanen Hintergrund.
Das sei doch dann alles nur ein Hirngespinst. Oder ein Abgrund.
Schlimmstenfalls: EINE ILLUSSION. 

Ich schaute also und wartete. Und vertrieb mir anderweitig die Zeit. Oh, nein. Ich habe mir die Zeit sehr stimmig vertrieben. Es hat Spaß gemacht. Ich war in mir. Aber es ist schwer gewesen, in mir zu sein. Und es ist noch schwerer gewesen, nicht ins Tollhaus hinein zu kommen.
Und dennoch, wenn es an meine Tür geklopft hat, dieses tolle Haus, dann habe ich gesagt:
 "Ich bin bereits behaust. Haha!"

Das Tollhaus ist angeblich das Beste, das unter allen funktionierenden Welten erdacht hätte werden können. Jeder Zweifel ist (im Grunde) ein bedauerlicher Defekt, auf den das ansonsten perfekt funktionierende Tollhaus nicht  vorbereitet sein kann. Ich habe volles Verständnis für dieses Selbstbild. Und ich bin voll der Empathie. 

Aber bedauerlicherweise - bin ich auch voll der Zweifel.

Sofort kam folglich erneut ein vorformuliertes Einschreiben.  Sinngemäß teilte man mir mit, ich müsse wegen diverser Eigenarten und Verunmöglichungen meinerseits noch warten, bis ich ins Tollhaus hinein dürfe.
Bis dahin hätte ich "TOLLHAUS-VERBOT"! 

Also wieder einmal Warten. Erneut in Quarantäne verbleiben. So lange, bis das Tollhaus irgendwie ("irgendwie muss das doch irgendwie gehen") mich in eine sinnvolle Grundstellung schleusen könne, an so einen Start-Platz sozusagen, von dem ich dann auf "LOS" (mehr oder minder UNAUFFÄLLIG) mit hinein sprinten könne. Hinein. Ins Tollhaus. 

Nun also plötzlich drehender Wind.
"Einsteign, bitteee, einsteign"!
Nur die Ruhe. Ich fahre mit.
Aber überzeugt bin ich noch lange nicht!

(Notizen zu "Menschenlichter im Tollhaus, Vol. II", Januar 2021)