Paganini´s...

Motto von Paganini, dem Kater:
"Es lebe die totale Subjektivität des Feuilleton!"

Donnerstag, 12. September 2019

Die unbedingte Film-Empfehlung:

First Reformed von Paul Schrader!


First Reformed ereilte uns zufällig, unempfohlen und unbekannterweise beim "kramen" in der Mediathek. Und First Reformed blieb hängen wie eine traumatisierende Erfahrung mit nachträglichem Glückseligkeitsgefühl. 

Kurz: Es war wohl Zeit für uns und diesen Film.

Dieses Stück Kino ist eine formal-inhaltlich-ästhetische Wucht, die jeden umhaut, der nicht bei 3 aus dem "Kino-Saal" rennt. Oder aber er hat First Reformed nicht verstanden (und deshalb nicht geliebt).




Ethan Hawke ist Ernst Toller. Ein Pastor in einer kleinen Kirche der First Reformed Church in einem kleinen Nest im Staat New York. Hier will er zur Ruhe kommen. Hier plant er einen Neuanfang. Oder besser, hier plant er, sich zu sammeln. Und noch besser, hier plant er, sich in Ruhe zu Tode trinken zu können. 
Ein Neuanfang, der eine Buße sein soll. 

Ernst Toller ist ein von innen und außen Gequälter. Er kann jedem vergeben, doch nicht sich selbst. Und (vermutlich) nicht Gott. Seinen Sohn hat er in den Irak ziehen lassen. Er ist tot. Die Mutter und damalige Ehefrau hat ihn verlassen. Tollers Werte und sein Vertrauen sind erschüttert. 

Seine neue Kirche nennt er "Souvenir-Shop". Sie hat einen gewissen historischen Wert. Ein karges, asketisches Leben ohne nennenswerte Bedeutung erscheint ihm für sich selbst als Wohltat. Um die Gemeinde-Mitglieder kümmert er sich gut. Er hilft mit hoffnungsgebenden Gesprächen. 

Eine Hoffnung, die ihn selbst zunehmend verlässt. Er schreibt Tagebuch, um die verschiedenen Enden seiner seelischen Regungen zusammen zu halten. Und er trinkt. Allein. Ein Klopfen an der Tür, ein Appell von einer verzweifelten Frau "Mary", reißt ihn aus der Eintönigkeit und hinein in ein verschlingendes Thema: Apokalypse durch Umwelt-Zerstörung.

Die Konsequenz der Inszenierung durch Paul Schrader, die den Ernst und den ritualisierten Überlebens-Versuch einer Psyche zunächst mit statischer Kamera und trister Farbgebung begleitet, akustisch untermalt von einem sich steigernden  "Brummen" wie fernes Donnergrollen, baut eine Dichte auf, lässt einen Sog entstehen, der ahnen lässt, was sich in diesem Mann zusammenbraut. Und dann - auf einmal - visuelle Brüche, die das Auge des Zuschauers wie durch Blitze zucken machen.

Grandios, einzigartig und unverwechselbar im Kino. Viel wäre zu schreiben. Über Tollers Kampf mit dem Teufel zum Beispiel. Oder einen Sprengstoffgürtel. Und auch über einen Engel. Und einen atemberaubenden Kuss. Am Schluss. 

ANSEHEN!



Mehr zum Film in Wikipedia HIER--->

Mittwoch, 4. September 2019

Der wunderbare Buchanfang: XXVI. Teil

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"

(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Diesmal ein Buch, lebendig wie ein Leben und doch poetisch wie ein Gedicht:

Leonard Cohen, Das Lieblingsspiel

I

Breavman kennt ein Mädchen namens Shell, das sich Ohrlöcher stechen ließ, weil es lange, filigrane Ohrringe tragen wollte. Die Einstiche entzündeten sich, eiterten und hinterließen winzige Narben, die er entdeckte, als er ihr einmal das Haar nach hinten strich.
Eine Kugel zerfetzte seinem Vater den Arm, als er sich im Schützengraben aufrichtete. Ein Mann, der an Herz-Kranz-Thrombose leidet, findet Trost in einer alten Kriegsverletzung.


Bon Boncuk, der Kater, präsentiert "DAS LIEBLINGSSPIEL"


"Das Lieblingsspiel" ist der erste Roman (von Zweien) von Leonard Cohen, der sich zu dem Zeitpunkt der Erscheinung des Buchs (1963) noch ganz und gar als Schriftsteller identifizierte. Vom Musiker Leonard Cohen war damals weit und breit nichts zu sehen und nichts zu hören. Auch er selbst kannte ihn damals als Endzwanziger noch nicht!

Das Buch beginnt mit der Schilderung von Wunden und Narben und Versehrtheiten, auch von Falten, die der Gang des Wegs namens Leben so mit sich bringen kann, einmal selbst zugefügt und manchmal einfach so eingefangen, wie ein Schicksal oder einen Zufall.

Das Buch endet mit der Erinnerung des Protagonisten "Breavman" an das Lieblingsspiel der Freunde aus Kindheitstagen. Im Winter, wenn es stark geschneit hatte, hielten sie sich an den Händen, wirbelten herum wie ein Kreisel und ließen dann plötzlich los. Jeder fiel ins Weiß hinein, in einer ulkigen Stellung abgespreizter Glieder und stand rasch erneut auf den Füßen, um sich an den Abdrücken im Schnee zu erfreuen. 

Das Leben hinterlässt Spuren. Man nehme sie mit Leichtigkeit!

Ein Buch, prall gefüllt mit Geschichten, sprachlich von einer Frische, einem Spieltrieb und einem sprühenden Witz, der sich immer wieder an der dichterischen Metaphorik bricht.

Wer dies Buch noch nicht kennt: Unbedingt Lesen!








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