Paganini´s...

Motto von Paganini, dem Kater:
"Es lebe die totale Subjektivität des Feuilleton!"

Donnerstag, 23. Juli 2020

Kurzes Poem


GEWIDMET


Düster und schön - will ich vergehn. Wie Du damals, als ich Dich fand.
Schlafend im Leben. 
Kann nie vergessen - will nicht vergeben.

Die grausige Tat. Die Du mir schuldest, lebendig im Tod. 

Wache ich auf. Wache ich. 
Wache über Dich. 

Du wachst nicht mehr auf.
Und bist schön raus.

Wie ein Abzählreim.




Wir, die Paganini´s, machen vermutlich mal wieder Sendepause auf dem Blog bis Ende August.
Auch wir müssen für Geld arbeiten.

Halten Sie bis dahin die Ohren steif und seien Sie glücklich. Miau!

Sonntag, 19. Juli 2020

Der wunderbare Buchanfang: XXIX. Teil!

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)


Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Heute ein Buch, das seinen Titel großzügig diversen Verfilmungen schenkt und gleichsam nach Einmaligkeit schreit.


Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz

Dies Buch berichtet von einem ehemaligen Zement- und Transportarbeiter Franz Biberkopf in Berlin.
Er ist aus dem Gefängnis, wo er wegen älterer Vorfälle saß, entlassen und steht nun in Berlin und will anständig sein. 
Das gelingt ihm auch anfangs. Dann aber wird er, obwohl es ihm wirtschaftlich leidlich geht, in einen regelrechten Kampf verwickelt mit etwas, das von außen kommt, das unberechenbar ist und wie ein Schicksal aussieht.
Dreimal fährt dies gegen den Mann und stört ihn in seinem Lebensplan. Es rennt gegen ihn mit einem Schwindel und Betrug.


Boncuk, der Kater, präsentiert BERLIN ALEXANDERPLATZ


Dreimal schwarzer Kater. Dreimal Berlin Alexanderplatz. Man kann nie genug davon bekommen?
Doch, man kann. Aber man kann auch eine ganze Menge von dieser Wucht - und es ist immer eine - in sich reinschaufeln. Man kann sich ein bisserl den Magen verderben, vielleicht. Aber man wird es (vermutlich) nicht recht bereuen.

Zum Einen und Allerersten die Lektüre: Was Alfred Döblin da vor dem Leser ausbreitet und vor ihn hinschmeißt, das ist ein wahrer Brocken "Welt"-Literatur. Viel Welt und viel Sprache. Ein dicker Schinken (560 Seiten TB), der manchmal schwer verdaulich aber nie ungenießbar ist. Ein derber, frecher, virtuoser und schließlich sprachberauschter und berauschender Genre-Mix aus Bänkel-Gesang, expressionistischem Groß-Gedicht und eigenwilligem Bildungs- sowie Gesellschaft-Roman. 
Kurz, das Menschheits-Buch eines Berserkers. Dazu natürlich, der Titel weist darauf hin, versprachlichte Großstadt-Melodie. Berlin wie es laut ist und grell ist und schnell ist, dass einem schwindlig werden muss. "Die Wagen tobten und klingelten weiter, es rann Häuserfront neben Häuserfront ohne Aufhören hin. Und Dächer waren auf den Häusern, die schwebten auf den Häusern, seine Augen irrten nach oben: Wenn die Dächer nur nicht abrutschten, aber die Häuser standen gerade..." In dieser zischenden, tanzenden, dröhnenden Stadt, das ist der Trick, kann alles jederzeit ins Rutschen kommen. Und Franz Biberkopf rutscht. Und der Abgründe sind gar Viele!

Zum Zweiten, ganz nah und liebend am Buch und dennoch (natürlich) emanzipiert durch die Umsetzung in das Medium Film: Rainer Werner Fassbinder und seine Mammut-Fernseh-Serie "Berlin Alexanderplatz". Auch dies eine brachiale Zumutung, eine Mixtur aus Volkstheater-Style, Stummfilm-Flair und Fassbinder-Künstlichkeit. Günther Lamprecht und Gottfried John. Welt-Klasse!
Die "Mini-TV-Serie" (Wikipedia!) zelebriert 15,5 Stunden lang diese Welt des Berlins der 20er Jahre und diese Welt des Franz Biberkopfs und diese Welt des Fassbinder-Kosmos mit all seinen Getreuen, wie Schygulla, Sukowa, Mira, Hermann und und und natürlich dem unvergleichlichen Peer Raben, dessen Musik seine Dichte, Spannung und Rhythmus zum Bild hinzugibt. Kongenial! 
Dazu die Döblin zitierende, sanfte Stimme des Regisseurs aus dem Off. Eine gewaltige Übersetzungs-Leistung des Romans in adäquate Kino-Kunst. Adäquat, weil wahlverwandt. Döblin und Fassbinder passen naturgemäß gut zusammen. 
Nochmals schwärmerisch aber muss hier die Magie im Zusammenspiel von Lamprecht und John genannt sein. Diese verstrickende, schicksalhafte Beziehung, bestehend aus Anziehung und Abstoßung, aus innerem Zwang geboren scheinend, wie er Planeten miteinander bindet oder das Insekt zur zerstörenden Kerze bringt, das verkörpern diese Schauspieler im Miteinander derart  glaubwürdig, dass sich schwer nur ein neues Couple namens Franz B. und Reinhold im Kino denken lässt. Diese Beiden sind einfach betörend!

Zum Dritten nun: Burhan Qurbanis Neuinterpretation und Aktualisierung des Stoffs. Soeben im Passage-Kino gesehen. Noch immer wackelig auf den Beinen, nach 3 Stunden im dunklen Raum - mit Blick ins grelle Bunt der Schrecknisse hinein. Durchaus viel Wiedererkennungseffekt. Und das ist anerkennend gemeint. Die Unterteilung in Kapitel, eingerahmt von Pro- und Epilog, geben auch hier zu bloßem Plot und Bildern das Parabelhafte hinzu. 
Da die Geschichte des Franz Biberkopf ins Hier und Jetzt der Flüchtlingsunterkünfte verlegt wurde, entzieht sich Qurbani geschickt der Verpflichtung, sich sozusagen im Schatten der gewaltigen Vorlage bewegen zu müssen. "Neu interpretiert von Regisseur Burhan Qurbani", so steht es vorsorglich bereits auf dem Plakat geschrieben, das im Entree zum Kinosaal auf die Verfilmung einstimmt. 
Und doch ist viel Franz Biberkopf geblieben (dagegen wenig Sichtbares von Berlin und Alexanderplatz). Qurbani hat Respekt vor Döblin und er hat Hochachtung vor Fassbinder
Letzteres zeigt sich in kleinen Zitaten, vorrangig dort, wo es um Reinhold geht. Nicht nur Schuch verbeugt sich in Anleihen vor John, auch die stampfenden Bässe der Musik beruhigen sich dann und lassen den Flötenton (des Rattenfängers) hören, dessen sich Peer Raben (allerdings weit exzessiver) bediente. Ja, Reinhold! 
"Wenn Du das Böse siehst, schau hin und geh weiter!" So sagt man doch manchmal. 

3x Reinhold und 3x wird nachvollziehbar, wie schwer es sein kann, einer unguten Verführungskraft zu widerstehen. Albrecht Schuch ist zutiefst glaubwürdig in seinen Facetten und Brüchen. Dagegen hakt es in der sogenannten Psychologie der eigentlichen Front-Figuren Franz-Francis und Mieze. Durch die Übersetzungs-Arbeit des Regisseurs in ein Flüchtlings-Schicksal hinein, werden manche Entwicklungs-Sprünge und Entscheidungen des Protagonisten zu sehr durch "äußere Umstände" erklärt. Der Schuldkomplex des Überlebenden wird als Selbstbestrafungs-Wunsch angeführt, der indes nicht wirklich zu einer Vielschichtigkeit sondern eher zur Verflachung der Figur des Franz führt. Auch die kecke Mieze scheint in dieser modernisierten Fassung durchaus genau zu wissen, was sie will. Und sie ist weit davon entfernt, nur naiv und gut zu sein. Sie wird so in ihren Vorwürfen gegen Francis unglaubwürdig. Hier wirkt manches geglättet und aufgesetzt. Das geht insgesamt auf Kosten der emotionalen Identifizierung des Zuschauers mit den Helden und auch mit dem Held als Antiheld. 

So hält man sich in dieser Fassung der großen Geschichte noch am Leichtesten an Reinhold. Der bleibt  wenigstens klar erkennbar als zutiefst zerstörter und deshalb zerstörender Mensch.

Nachtrag zum Vierten: Heinrich George als Franz Biberkopf, in der 1.(2 Jahre nach Erscheinen des Buchs) Verfilmung des Romans. Der große Heinrich George gab wohl den Anstoß zu diesem Stück Kino, dessen Ästhetik durchaus noch an den Stummfilm erinnert. Immerhin gelingen interessante Bilder der dröhnenden Großstadt Berlin. Außerdem ist der Film natürlich eine hinreißende Solo-Nummer für den Mimen, wobei der Rest an Figuren mehr oder minder untergehen muss. Dennoch ist diese filmische Bearbeitung natürlich auch aus film-historischen Interesse unbedingt sehenswert!



Boncuk, der Kater, in der Redaktionskonferenz:

"Da rollen die Worte auf einen an, man muss sich vorsehen, dass man nicht überfahren wird, passt Du nicht auf auf den Autobus, fährt er Dich zu Appelmus. Und nun weg, mit dem Schmöker, muss auch mal wieder ohne gehen..."

Und ein erleichtertes Schnurren breitet sich aus, in den Räumen der Paganini´s-Redaktion!


Lesenswert: Tom Tykwer in der FAZ zu Fassbinders BERLIN ALEXANDERPLATZ--->

Dienstag, 7. Juli 2020

Die wunderbare Undine...

...schwimmt (und liebt) nun endlich im Kino!


Die Chefredakteurin berichtet


Mit Katzen-Maske im Passage-Kino, Neukölln



Von Christian Petzolds neuem Film, der bereits auf der diesjährigen Berlinale für ziemlich begeistertes Aufsehen sorgte und Paula Beer einen Bären brachte, war viel zu erwarten und die Vorschuss-Lorbeeren, die ich mit ins heimatliche (Rixdorfer) Passage-Kino brachte, ein wahrlich dicker Strauß. Die Berlinale-Kritiken, wenngleich durchaus polarisierend, zweifelten allenfalls auf anerkennend hohem Niveau an der Kraft dieser Undine, sofern sie nicht ausschließlich Lob und Beifall bekundeten. 
Petzold ist, da ist wenig drumherum zu reden, deutsches Kino für Bildungsbürger. Da konnte in der Vergangenheit so manchem Kino-Gänger schon mal das Eine oder Andere im Film zu manieriert, zu intellektuell verbrämt und dadurch leicht anämisch oder zu artifiziell erscheinen. 
Um Liebe ging es gewöhnlich immer, in den Filmen des Regisseurs, um sensible Gefühls-Gewächse, die in politische Verhältnisse verstrickt wurden und gegen menschliche Abgründe (auch im Liebenden selbst) anwachsen mussten. Etwas Poetisches lag dennoch (wie ein guter oder böser Zauber) in der Atmosphäre hinter jedem Plot.

Ich erwartete also durchaus, dass diese Undine mitunter leicht blutleer und verkopft, an mancher Stelle gar verquast wirken könne. Zumal über die (angeblich weit ausholende) Kritik des Filme-Machers an städtebaulichen Verirrungen im modernen Berlin, ausgiebig in den Zeitungen zu lesen stand. Aber insgesamt beherrschte mich eine große Vorfreude, sicher auch, da es nun doch eine gefühlte Ewigkeit her zu sein schien, in einem realen Kino zu sitzen. 
Die Karte wurde online gesichert und ausgedruckt, die Mund-Nase-Schutz-Maske frisch gebügelt angezogen. Klar, da wird natürlich kein auflockernder Drink im plüschigen Foyer hinter die Binde gekippt, da folgt man nur mit Abstand und im Trippel-Schritt den Pfeilen, die in ein Labyrinth von Absperrungen hinein lotsen, vorbei an maskierten Menschen hinter Plexi-Glas-Scheiben, aber immerhin, irgendwann sitzt man im Corona-Kino auf dem, im Ticket als Nummer angegebenen, Samt-Sitz und freut sich, dass man im Kino-Saal drinnen ist. Und der sieht dann gottlob so aus, wie er eben auch vor Corona ausgesehen hat. Nur ziemlich leer ist er geblieben, an diesem Sonntag-Nachmittag. Gezählt habe ich ganze 10 Besucher, einschließlich meiner Person. 

Nun ist es geschehen, das Verplappern setzt ein, hier sollte es doch wahrlich nur um die Begeisterung über diesen Film gehen. 
Und die ist noch immer, mittlerweile 3 Tage nach Erleben, so betörend spürbar und durch die Tage tragend, dass ich eigentlich keine Kritik schreiben wollte. Erstens, weil ich inzwischen ganz wunderbare Rezensionen zu diesem Film gelesen habe (mir erscheinen die Kritiken berauschter, jetzt, zum Kino-Start als während der Berlinale?!) und zweitens, weil es manchmal so ist, dass sich Glück nicht vermitteln lässt und die Worte fehlen. Und echtes Kino-Glück kenne ich weit weniger, als ich großartige Filme gesehen habe. Glück ist, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und Glück ist eine Schwingung, die etwas in Gang setzt. So wie es dann dieser Undine im Film passiert, der damit beginnt, dass sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort schnöde verlassen fühlt, um dann durch genau dieses (durch und durch und immer schon) Falsche, genau im Richtigen zu landen, das sich mit großem Sprung und viel Nass über sie ergießt und in die Arme des wahrhaft liebenden Christophs spült. Wasser ist tief und unkontrollierbar. Gott sei Dank. Leider, leider!

Wasser folgt seinen eigenen Gesetzen. Diese sind elementar, archaisch, mythisch. Wir wissen das Alle. Zum Beispiel aus der uralten Weise über "Undine"!

Es ist meisterlich gelungen, wie Petzold die verschiedenen Ebenen miteinander verwebt und in- oder umeinander fließen lässt: Den Mythos mit der modernen Alltags-Realität Berlins. Die Psychologie mit der Unlogik eines Banns, unter dem eine selbstbewusste, ganz heutige Historikerin steht, die eben (ganz selbstverständlich) auch ein, durch Jahrhunderte existierender, Elementar-Geist ist.

Die andere  Seite, das unheimlich Anmutende und dennoch entrückend Berückende findet der Film in seinen Bildern "unter Wasser". Nur ein Kino-Saal kann diesen Zauber tatsächlich vermitteln, die ausgeklügelte, brummende Ton-Spur in der Magengrube des Zuschauers vibrieren lassen. Ach, herrlich. Petzold nimmt den Mythos ernst. Nur so entsteht diese intensive Spannung in der Reibung an der Moderne. Am Ende siegen Beide. Die Legende darf Undine zurück in ihr natürliches Element befehlen. Doch die hat sich inzwischen zeitgemäß emanzipiert und entwickelt. Sie tut zwar, was sie tun muss. Doch sie nutzt auch ihre Freiheit durch die Gnade des Loslassens. Es lebt die Liebe!



Hintergründe zum Film etca. wie immer in Wikipedia--->

Mittwoch, 1. Juli 2020

Aus der wunderbaren Kladde...

...der Paganini´s-Redaktion


Neo Rauch ist das Thema meiner letzten Tage. Wie soll man leben, wenn man weiß, dass Einer existiert und malt und denkt und spricht wie Er und man selbst liegt mit seiner Seele im Kampf darnieder und fühlt sich unwürdig, den Staub zu atmen, der über den Dächern von Berlin liegt. Nur weil es nicht vergönnt sein wird, einen ebenso bunten Strauß großer, schöner Bilder zu malen. Mein Leben ist ein endloses Suchen nach überdimensionalen Farben und Formaten, die Sinn atmen. Ich finde Dies und Jenes und verwerfe alles aus der Not heraus, es besser machen zu können.
Es BESSER MACHEN KÖNNEN zu denken, ist eine Qual. In dem Ahnen von BESSER MACHEN KÖNNEN liegt ein Verhängnis, das zu kennen nur mir vergönnt zu sein scheint, wie mir in manchen, letztlich den meisten und sicherlich den sinnigsten Momenten meines Lebens bewusst wird.
ES BESSER MACHEN KÖNNEN! 
Exquisit ist nicht besser, nur Vollkommen ist Vollendung und genug!
DER WEG IST DAS ZIEL war leider noch nie meine Devise.
Wieso soll ein Weg über das VOLLENDETE gestellt werden. Nur wenn der Weg bedeuten würde, nach dem VOLLENDETEN käme wieder ein neues VOLLENDETES, wäre mir der Weg als Ziel willkommene Ziellinie. Ich bin mir im Weg und manchmal bist Du, wer immer Sie sind, im Weg. ..
(Notizen zu "GOLO, der Maler" aus "Menschenlichter im Tollhaus", 2010)




Hieraus wurde "Golo, der Maler"--->HIER