Paganini´s...

Motto von Paganini, dem Kater:
"Es lebe die totale Subjektivität des Feuilleton!"

Montag, 30. November 2020

Aus der wunderbaren Kladde...

 ...der Paganini`s


@CC


Das Schiff mit 8 Segeln

Immer in der Kälte laufen
Immer in der Kälte laufen
Immer in der Härte laufen
laufen
laufen
laufen
Immer laufen
Immer rennen
rennen
Um dein Leben rennen
immerzu
immerzu
immerfort

Und dann kommt das Schiff mit 8 Segeln...


 
PAUSE, PAUSE, PAUSE 
muss nun über Weihnachten sein. 
Also bis 
(hoffentlich): 

Good Times in 2021!

Samstag, 21. November 2020

Der wunderbare Zauberberg...

 ...und das Geheimnis (die Verwirrung) der Zeit


Das Deutsche Theater Berlin und Sebastian Hartmann verzaubern das Internet mit der Livestream-Premiere der Bearbeitung von Thomas Manns Klassiker



Foto: Tilo Baumgärtel


"Wie verändert die Corona-Pandemie das Theater und seine Stellung in der Gesellschaft?"
Dieser Frage wurde dieser Tage in diesen unseren Zeiten vom wundervoll tapferen und tätigen www.nachtkritik.de nachgegangen (in Cooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung) und heraus kamen sehr diverse Meinungen in allen Schattierungen zwischen "gar nicht" und "ganz und gar" im Sinne einer Neu-(Er)Findung. Tituliert wurde die Konferenz mit "Das Postpandemische Theater", weswegen uns - in der hauseigenen Paganini´s-Konferenz - die Frage umtrieb, ob wir uns im Moment genau dieses "post" vorstellen können, da wir uns zur Zeit noch immer im "mittendrin" aufhalten.

Das Corona-Virus ward auf die Welt geschickt und wahrgenommen. Damit verschwindet das "prä" und ein "post" ist - trotz optimistisch machender Signale (Impfstoff) - nicht gegeben. Die Konferenz musste folglich in einem "was wäre wenn" verbleiben, konnte Utopien entwerfen oder sich ins Althergebrachte zurück wünschen. 

Und dennoch: was diese Pandemie noch im Schilde führt und welche Antworten wir als Gesellschaft, Individuum oder eben als THEATER geben werden, das wahrhaftig zu entdecken steht noch aus. Vermutlich werden die Antworten auch im "post" divers ausfallen. 

So bleibt zunächst also die Gegenwart der allgegenwärtigen Pandemie und das Hier und Jetzt. Und da sind die Theater einmal wieder ein Teil des Lockdowns (light!!!), nachdem sie ächzend aber ohne murren, bereits die "sicher-mit-Corona" Türen öffnen durften.

In dieser kurzen Spanne gab es Schelte (Och, alles wie gehabt) und Jauchzen (Hauptsache Theater-Theater). 
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Nun also Vorhang auf, für das echte Pandemische Theater. Das Theater des "mittendrin".
"Der Zauberberg" hat werbend gefunkelt und uns zu Hause abgeholt. 
Die Premiere von Sebastian Hartmanns Version des Mannschen Klassikers wurde (direkt und zeitgleich) aus dem (Publikums-)leeren Deutschen Theater Berlin via Bildschirm übertragen.

Und wir haben uns so sehr darauf gefreut. 

Und sind gestern "dabei" gewesen. So wie man eben "dabei" sein kann, wenn man zur selben Zeit zwar, sich dennoch in einem "anderen" Raum befindet. Dieses pandemische Theater spaltet den virtuellen Raum der Übertragung (das Internet) vom eigentlichen Raum des Geschehens (der Theater-Bühne) ab. Es musste sich folglich mit einem Vermissen auseinander setzen. Und im besten Fall dem Vermissten etwas Neuartiges (Zusätzliches) schenken. Und siehe da, Sebastian Hartmann und seiner Crew gelang ein kleines Wunder. 
Man könnte es auch mit Hartmanns Bildsprache so ausdrücken:

Dann kam ein Schneesturm auf, fegte über die Bühne des DT-Berlin und von dort die letzten Reste bloßer Theorie aus den Köpfen der Zuschauer, von denen auch nach 2 Stunden immerhin noch zwischen 2000 und 3000 gebannt den Atem anhielten. "Das hatte Bumms", würde der ehrwürdige Ur-Vater Paganini sagen und damit kurz und bündig Sebastian Hartmanns Sinn für überbordende Bilder und (emotionale) Dramatik auf den Punkt bringen. Mit den Dramatikern und ihren Texten geht dieser Regisseur nicht wirklich zimperlich um, doch auch das Zerrupfen der Stück-Vorlage dient (in der Regel nachvollziehbar) der Herstellung  von psychologischer Dichte und Verdichtung (Emotionalisierung)  des großen Themas. 

Aus Thomas Manns "Zauberberg" destilliert dieser Abend das Thema Zeit (und Raum) und in diesen (verschwimmenden) Koordinaten den Mensch. Wie ins Unendliche (Weiß) hinein geworfene Objekte, so stapfen diese Wesen in  ihren weißen Fatsuits, mit weiß geschminkten Gesichtern, hilflos nach einem Bezugspunkt suchend im Kreis. Es wird viel geweint. Es wird häufig "Ich muss sterben" gewimmert, gebrüllt, geächzt. Und aus dieser Verzweiflung über das entfremdete Irren durch eine bezugslose (abhanden gekommene) Welt, zeigt sich zitternd die Frage: "Wie leben"?

Die Kamera fängt die Gesichter der Schauspieler oft in Großaufnahme ein, zeigt die Verzerrung der Münder, die weit aufgerissenen Augen. Bilder von entsetzten Seelen. Blicke ins Bodenlose. Auf das Weiß der Haut projiziert, manchmal Überblendungen, die an afrikanische Masken oder Totenköpfe erinnern.

So hat man das freilich im Theater-Saal noch nie zu sehen bekommen. Ja, die Kamera spielt an diesem Theater-Abend im wahrsten Sinne des Wortes mit (und eine weit wichtigere Rolle, als gemeinhin durch Video-Installationen auf der Bühne gewohnt). So entsteht - gegen den Verlust des Gewohnten - ein Neues, ein wunderbar schillernder Hybrid, ein Gesamtkunstwerk aus Theater, Film und Videoinstallation. Das verstärkt die Intensität, sorgt auch zu Hause vor dem Bildschirm für die Unmittelbarkeit des (rauschhaften) Erlebens.

Erst die Entscheidung von Produktion und Deutschem Theater Berlin für diese Livestream-Premiere haben es möglich machen können, dass der ZEITGEIST (geprägt vom Virus) eine derart herausragende Rolle im Stück besetzen konnte. Die Pandemie schien allgegenwärtig, so durch den Zoom in den leeren Theatersaal hinein oder mit dem Kamera-Blick auf MaskenbildnerInnen mit Schutzbrillen, deren Hände zuvor vom Desinfektions-Mittel gereinigt wurden.

Unendlich berührend auch die Szene, in denen ein weinender Einsamer einem anderen weinend Isolierten die Hände (im Wunsche nach tröstender Umarmung) entgegen streckt. So erschütternd funktioniert das nur in diesen, unseren Zeiten von Corona.

Am Ende Lachen, Erleichterung, Verbeugen der Schauspieler.
(Die klatschenden Hände des Regisseurs in der Tiefe des leeren Saals!)
Begeisterung, Gänsehaut, Berührtsein bei uns. Und viel, viel Jubel in Social Media.

Endlich wirklich gelungenes, im besten Sinn aufregendes "Pandemisches Theater". 

Bravo!




Weitere Infos auf www.nachtkritik.de  und ---> HIER

Freitag, 13. November 2020

Das wunderbare "The Lobster"...

 ...und der wunderbare, eiskalt-witzige Regisseur Giorgos Lanthimos






Es gehört manchmal zum Ruhm eines Regisseurs dazu, dass er irgendwann - als europäischer Wunderknabe - in Richtung Hollywood schaut. Da werden dann (im besten Fall) die Filme, in der typischen Weise zwar - aber mit internationalen Super-Stars - gedreht. Das ist aus künstlerischer Sicht nicht zwingend notwendig, manchmal aber stört es nicht sehr.

Colin Farrell musste in diesem Fall schon ein wenig demoliert werden (optisch), um hier genügen zu können, doch ansonsten ist nicht viel zu bemängeln. (Bis auf die Erzählerinnen-Stimme, die in ihrer Deklarierung der zu sehenden Bilder, an die Audio-Deskription für Blinde erinnert). 

Und plötzlich, da wir das aussprechen: Aha, aha! Nun fällt der Groschen. 
Doch sehen (nein, hören!) Sie selbst...:

Ja, es geht auch um Erblindung. Aber erst am Schluss. Davor geht es um Lobster (= Hummer). Und um Hunde. Um Tiere aller Art. 
Und um das gesellschaftliche Diktat, das vorgibt, ausschließlich zum Wohle der Mitglieder einer Gruppe zu existieren. (Siehe/Höre "Audio-Deskription" - wie vorbildlich!)

Der Zuschauer folgt in diesem Film einem Mann, gerade erst unglücklich verwitwet, der mit seinem Collie, einem schönen, braven Hund, der einst sein Bruder gewesen ist, in ein staatlich geführtes (und zwangsverordnetes) "Hotel" eingewiesen wird. Singles - egal welchen Alters und welcher Coleur - haben hier ein paar Wochen Zeit, um sich zu einem Paar zusammen zu schließen. 

Das Hotel wird sehr freundlich (aber auch ungeheuer konsequent) geführt. Wer nicht in der vorgegebenen Zeit (trotz Tanzabend und Vorstellungsrunde) einen PASSENDEN Partner findet, wird in ein Tier (seiner Wahl) verwandelt. 

Ein Single gehört hier einfach nicht zu einer funktionierenden, humanen Gemeinschaft!

Mit dieser (willkürlich) formulierten Grund-Regel dreht es sich (wie immer bei diesem Filme-Macher) um das Wesen (und die Abgründe) menschlicher Gesellschaften, die es in ihren diversen (Selbst-)Verstümmelungen nur gut zu meinen scheinen. 
Dabei gehen sie sehr stringent, humorlos und rigide (selbst gegen minimale Abweichungen) vor und scheinen längst vergessen zu haben, was der Mensch von Natur aus ist. 

Das individuelle, kreatürliche Wesen, mit seinen Bedürfnissen und Regungen, wird ins Surreale und Dystopische gedrängt, umflutet von Irrationalismen, wie sogar vermutlich die Liebe eine ist.

Und so geschieht es, dass die ORDNUNG eines gesellschaftlichen Systems als verheerende Diktatur erscheint, die  (im jeweils besten Glauben) genau das herstellt, was sie bekämpft:
Nämlich Dystopie (geboren aus unheilvoller Utopie) und Irrationalität!

Unkontrollierbares im Homo Sapiens. Das macht dem (gut gemeinten) Kontroll-Versuch von gesellschaftlichen Glaubens-Sätzen Angst! 

Der Regisseur sorgt für eine eisig anmutende, dramaturgische Ordnung in seinen Filmen. 
Und dadurch für Grauen. Und für Horror auch. 

Alles scheint Versuchs-Anordnung.

Der Zuschauer, dem indes die REGELN beigebracht werden, in dessen Rahmen sich die Handlung bewegt, schwankt selbst zwischen Anerkennung und Ablehnung dieser Gesellschafts-Prinzipien. 
Egal, wie überzogen sie scheinen, der schale Wiedererkennungseffekt ist rasch da. 
Und damit eine unerwünschte Identifizierung. 

Das ist sehr unangenehm. Das muss man nicht lieben.
Aber man kann.

In dieser (dramaturgischen und visuellen) Perfektion, erinnert der Film an die akribische Wikipedia-Beschreibung z.B. solcher Wesen, wie Lobster es sind.
Man erfährt etwas von einem fremdartig scheinenden Organismus und merkt zu spät, dass in der Überzeichnung die Erkenntnis liegt:
"Die Pleura können sich gegenseitig überlappen oder nicht und sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Form von taxonomischem Interesse. Die ersten beiden Schwimmbeine sind Bestandteil der Fortpflanzungsorgane. Das erste Paar der Männchen ist verhärtet, während das der Weibchen zweigliedrig und beweglich ist..." (Wikipedia, The Lobster)

Der Mensch wird - mit sezierendem Verstand betrachtet - bei Lanthimos zum Un-Mensch. 

So, wie der Hummer zum nicht-fühlendem Insekt wird, das in kochendem Wasser bearbeitet, wohl schmeckt, aber naturbelassen stören würde.

P.S. Die Paganini´s- Redaktion ist durchgehend von Lanthimos eigenwilliger Handschrift fasziniert, empfiehlt jedoch das Oscar-prämierte "The Favourite" bei weitem nicht als den interessantesten Film des Regisseurs.



Mehr zu "Lobster" --->HIER