VI. Episode in einer (langen) Szene!
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Die Zeit fliegt. Manchmal.
Denn
Heute ist Samstag.
Dieser Samstag, vor eineinhalb Jahren, abzüglich von fünf
Tagen, an dem Lars und Lars das Elektro-Nick bezwingen wollen. Dieser Samstag,
der den Durchbruch bringen soll. Den Durchbruch zweier Künstler. Den Durchbruch
von Lars und Lars. In diesem Moment, also Jetzt, steht Lars Dietrich vor einem
großen Spiegel im Flur von Luises Wohnung in Neukölln und bereitet sich vor.
Luise steht hinter ihrem Mann und zupft den Kragen des grünen Hemdes unter dem
schwarzen Frack zurecht. Schön! Sagt sie. Die Luise. Sehr schön! Und strahlende
Augen treffen aufeinander im Spiegelbild. Die nussbraunen Augen von Lars
Dietrich treffen auf die grünen Augen von der Luise. Und umgekehrt. Die grünen
Augen von Luise treffen auf die nussbraunen Augen von Lars Dietrich. Und dieser
versinkt in schwarzen Pupillen. Luises Pupillen haben eine verschlingende
Wirkung. Chronisch erweiterte Pupillen sind das. Eben Scanner-Blick. Schlange
Shir Khan. Und in diesen Pupillen spiegelt sich Lars Dietrich und spiegelt sich
auch Luise, die sich von Hinten an ihn schmiegt. Du wirst großartig sein! Heißt
das. Und ich werde bei dir sein! Heißt das auch. In jedem Moment. Den du
alleine auf der Bühne stehst. Und ich in der ersten Reihe sitze. Und obwohl ich
in der ersten Reihe sitzen werde. Und du über meinem Kopf, hoch oben, auf der
Bühne stehen wirst. Werde ich so nah sein, wie jetzt, in diesem Moment. Mein
Du. Mein Alles. Mein Mann. Luise, ich muss los! Test mit der Ton-Technik! Du
kommst nach! Nicht wahr? Du kommst nach. Was für eine Frage! Natürlich kommst
du nach! Ach, ich werde nun doch ein wenig aufgeregt. Dumm aber auch. So dumm!
Und noch einmal knöpft Lars Dietrich den Frack auf und dann noch einmal sehr
umständlich wieder zu. Knopf für Knopf. Zuerst auf. Und dann wieder zu. Ganz
ruhig einatmen und ganz tief ausatmen und wieder ein…! Flüstert Luise. Und:
Toi, toi, toi! Und dann ist er verschwunden, der Lars Dietrich. Zur Tür hinaus.
Ach, so nervös ist er. Der Lars Dietrich. Und sinnend steht Luise ganz alleine
vor dem großen Spiegel im Flur. Was soll sie anziehen. An diesem Abend. Für den großen Abend. Einem
Abend, von dem Luise noch nicht einmal restlos überzeugt ist. Wie sie sich
selbst heimlich eingesteht. Nicht restlos überzeugt zu sein, heißt Realistin zu
sein! Sagt sich die Luise. Und seufzt. Nicht dass sie an der künstlerischen Intensität
von Lars Dietrich zweifeln würde. 0h Nein! Aber an der künstlerischen
Genialität von Lars. Da zweifelt sie schon. Die Luise. Wie soll das gehen, mit
dem Lars und seinem albernen Raver-Step? Wie soll das gehen, mit dem Lars
Dietrich, wenn er neben solch einer albernen Figur als der Lars von Lars und
Lars für Furor sorgen soll? Was wird kommen? Luise. Wo führt uns dieser Abend
hin? Luise. Das fragt sich die Luise. Und zückt einen blutroten Lippenstift und
malt ein Herz auf das Spiegelglas. Und dann malt sie sich die Lippen an. Und
danach werden die Augen geschattet. Tiefschwarze Augenlider. Und ein Meter
Tusche auf die Wimpern. Und eine Wolke Parfum in die rote Wolke aus Haar. Gut!
Das tut gut! Maskerade! Das muss Heute sein! Und Luise ist zufrieden. Die Frage
der Kleidung ist rasch gelöst. Luise tauscht eine schwarze Hose gegen eine
schwarze Hose. Ein rotes Shirt gegen eine türkisfarbene Piraten-Bluse und ein
schwarzes Jäckchen gegen ein schwarzes Jäckchen. Wie ein Wams, so ein Jäckchen.
Und dazu kommen die hochhackigen Schnürschuhe. In schwarz. So sieht sie nun
aus. Die Luise. Und stakst in Richtung S-Bahn. Und fährt in Richtung Prenzlauer
Berg. Und stakst wieder weiter. Immer die Schönhauser entlang. Und dann muss
sie einmal rechts und einmal links und dann noch einmal links herum. Und da
steht sie auch schon vor dem Elektro-Nick. Heute 21 Uhr: Lars und Lars in
„Springende Herzen“! Steht auf einem Plakat in Din A4, das zerfleddert an eine
noch geschlossene Tür gepinnt worden ist. Die Tür hat Charakter. Diverse
Farblack-Töne blättern um die Wette, wie verwelkende Blätter. Aber immerhin!
Denkt Luise. Immerhin Prenzlauer Berg! Hat was von Kult! Das Elektro-Nick! So
denkt die Luise. Sie öffnet mit hüpfendem Herzen die Tür. Ein schwerer Vorhang
ruiniert die Frisur, der Schlitz im dicken Filz ist kaum zu finden und als
Luise sich schließlich hindurchzwängen kann, steht sie desorientiert in einem
engen, dunklen Vorraum. Im Schummer erkennt sie, hinter einem Tresen aus Holz,
einen dicken Menschen, der vor einem halb geleerten Bierglas lümmelt. Es ist
noch kein Einlass! brummt der dicke Mensch. Luise tut bewusst sehr
selbstbewusst. Ich gehöre dazu! Sagt sie. Wozu gehörst du? Die Gegenfrage des
dicken Menschen ist reine Provokation. So vermutet Luise. Und sie blickt
aufmerksam in ein schwammiges Gesicht hinein. Lars und Lars! Sagt sie. Aha!
Brummt der dicke Mensch. Und Du heißt wohl auch Lars? Ja? Und ein schwammiges
Gesicht dreht sich von Luisens bleichem Antlitz fort. Schauen Sie doch bitte in
der Gästeliste nach! Luise versucht es noch einmal ganz seriös. Es gibt keine
Gästeliste! Und der dicke Mensch schlürft stoisch an seinem Bier. Nicht im
Dienst! Heißt das. Wie aus dem Nichts kommend, steht der Lars auf einmal neben
der Luise. Ganz lautlos hat er sich herangeschlichen. Der Lars. Luise ist
erstaunt. Aber auch entzückt. Lars, der Held. Er rettet die Dame. Aus tiefster
Not. Rettet der Lars die Luise. Simsalabim! Hahaha! Hihihi! Wieder schüttelt
ein verklemmtes Kichern den gesamten, dünnbrüstigen Körper von Lars. Oh! Ist
der dämlich! Der Lars! Denkt Luise. Der ist doch kein Umgang für Lars Dietrich!
Das denkt sie auch. Die Luise. Und Lars denkt: Wie schön sie ist. Die Luise.
Heute. In diesem Moment. Und sagt: Lass sie durch! Eine lässige Bewegung von
Lars in Richtung dicker Mensch und ihr wird aufgetan. Sesam öffne Dich! Lars
schiebt Luise vor sich her, durch eine bis dahin für Luise unsichtbare Tür
hindurch. Oh! Ah! Wie schön! Denkt Luise. Ein alter Tanzsaal. Goldene Lüster.
Parkett. Roter Samt. Alles ranzig. Aber ranzig mit Stil. Vorne die Bühne. Lars
Dietrich auf der Bühne. Ach, so eine elegante Haltung hat er. Der Lars
Dietrich. Wie er da steht. Da oben. Das Saxophon in der Rechten. Mit der Linken
zu Luise winkend. Nervös. Ganz und gar nervös. Kein Winken. Eher ein Fuchteln.
Und sich dann hinwegdrehend, elegant, und nun wieder ganz konzentriert im
Gespräch mit dem Tontechniker. So! Nun bist Du drin! Luise. Hier bist du nun!
Raunt Lars, wie ein Dieb, in Luises Ohr. Und nun halte Ruhe! Luise. Nun lehne
dich zurück! Luise! Der Abend gehört nicht dir! Der Abend gehört Lars Dietrich!
Luise! So raunt er, der Lars. Und Luise sagt: Simsalabim! Und weg bist du! Das
sagt die Luise. Zum Lars. Und ihre weiße Hand wedelt Lars davon. Als sei er ein
Nebel. Der Lars. Und Lars wird nun bleich. So bleich wie die Luise bereits
bleich geworden ist. Und er schaut wie ein Mann in Luises schwarze Pupillen
hinein. Der Lars. Und verbeugt sich affektiert! Der Lars. Vor der Luise. Ganz
tief. Ganz affektiert. Wie ein Höfling. Wie Sie befehlen, Mylady! Bin schon
weg! Und nach einem Augenwimpernschlag schaut die Luise zu ihrem Mann. Auf die
Bühne. Da schaut die Luise hin. Und da steht er auch schon. Der Lars. Ganz
dicht neben Lars Dietrich. Steht er. Der Lars. Und Luise sieht, wie die beiden die
Köpfe zusammenstecken. Als Lars und Lars. Und Luise setzt sich still in die
zweite Reihe und blickt auf ihre Fingernägel. Contenance! Luise! Contenance!
Das sagt sich die Luise. Und macht Autosuggestion. Das macht sie jetzt. Und
harrt der Dinge. Die da kommen werden. Und die sind überschaubar. Sozusagen.
Zumindest bezogen auf die Zahl des zahlenden Publikums. Das so nach und nach
heranströmt. Herantröpfelt. Genau genommen. Lars höchstpersönlich hat die Rolle
übernommen, die Kasse der Eintrittsgelder zu verwalten. Betont unbeteiligt
sitzt er auf einem herbeigezogenen Stuhl, seitlich der Tür zum Saal, und
begrüßt die schüchtern Entgegenlächelnden, wie die enthusiastisch auf ihn
Zustürmenden. Neben dem Stuhl, auf dem er sitzt, steht ein weiterer Stuhl. Und auf
diesem weiteren Stuhl befindet sich ein Hut und ein Stempelkissen. Im Hut
landen die zehn-Euro-Scheine. Eintritt: 10 Euro! Steht auf dem Plakat, das
achtlos an die Tür des Elektro-Nick gepinnt ist. Und mit dem Stempelkissen wird
der Eintrittsstempel für insgesamt 25 Frauenhände geschwärzt. Das sind sie
nämlich, die Dinge, deren Luise harrt. Fünfundzwanzig Damen unterschiedlichsten
Alters, unterschiedlichster Körbchengröße und unterschiedlichster Haarfarbe.
Frauen. Ausschließlich Frauen. Und alle scheinen Lars sehr gut zu kennen. Und
Jede scheint zu denken, nur sie sei es, die den Lars persönlich sehr gut kennt.
Und der Lars zwinkert jeder Einzelnen, sehr versteckt, zu. Und der Zug um den
Mund ist auf verschwörerisch gezwirbelt. Und auf Understatement. Lass uns das
nicht an die große Glocke hängen! Dass wir uns kennen! Scheint der Zug um den
Mund zu signalisieren. Einer jeden Dame
zu signalisieren. Wohlgemerkt. Ohne es an die große Glocke zu hängen. So
geschickt, tut er das, der Lars, dass weder die Vorherige, noch die
Nachfolgende Eins und Eins zusammen zählen können. Aber Luise zählt Eins und
Eins zusammen. Und weiß genau, was die Summe dieser Rechnung ergibt. Nämlich
fünfundzwanzig und Lars. Drei oder vier der Damen, winken immerhin auch, mit
geröteten Wangen und glänzenden Augen, in die Richtung von Lars Dietrich. Und
der Lars Dietrich befindet sich auffallend lange in einer sehr konzentrierten
Unterhaltung mit der Tontechnik. Und schaut nicht hin. Nicht zu den Winkenden.
Und nicht zur Luise. Luise wird warm. Sehr warm. Sie lodert auf ihrem Stuhl in
der zweiten Reihe. Die erste Reihe ist bereits belegt. Hinter ihr ist gähnende
Leere. Zu Ihrer Rechten und zur Linken sitzen bereits weitere Damen. Und eine
riesige Welle aus Nervosität breitet sich unter dem Publikum aus. Ein
irritierendes Zupfen, Reiben und Kratzen beginnt, als wäre ein kollektives
Ritual zu vollziehen. Eine Jede der Anwesenden zupft sich das Ohrläppchen rot,
reibt sich den Hals oder das Dekollete, zwirbelt an Haarsträhnen, kratzt sich
den Fußknöchel heiß oder reibt die Knie aneinander, dass der Luise ganz
schummrig wird. Hier sitzen fünfundzwanzig vollständig erotisierte Frauen!
Denkt sie. Die Luise. Und will im Erdboden versinken. Fünfundzwanzig Frauen
halten mich für Eine von ihnen! Das denkt sie auch. Die Luise. Und als es dunkel wird im Saal. Und als der
Lichtkegel auf der Bühne Lars und Lars im hellsten Licht erstrahlen lässt, da
ist es aus. Aus mit der Contenance von Luise. Und aus mit der Fassung auf den
Stühlen vor ihr und neben ihr. Da ist ein einziges Stöhnen und ein vielkehliges
Kichern und Gackern zu hören, auf das die Tontechnik mit einem schrillen Ton
aus dem Mikrofon reagiert. Welcome, Ladys, Welcome, Gentlemen…! Lars Dietrich
blickt hier gespielt suchend in die Weite des Saales hinein und ein tosendes
Gelächter und Gejubele kennt nun kein Halten mehr. Ja! Lars Dietrich! Das ist
der Durchbruch! Denkt die Luise. Der Durchbruch in tiefste Tiefen des
schlechten Geschmacks hinein! Und sie will versinken. Die Luise. In den Tiefen
des Erdbodens. Versinken für immer! Forever You! Da trällern sie schon den
Opener. Der Lars und der Lars. Glücklich vereint. Im Scheinwerferlicht.
Begeistert von sich selbst. Trunken vom Ruhm. Besoffen von der Liebe ihrer
Fans. Sechs Lieder vor und vier Lieder nach der Pause. Das haben sie geplant.
Die Zwei von Lars und Lars. Und vor der Pause noch eine Einlage. Raver-Step.
Und nach den vier Liedern, den Liedern nach der Pause, noch die Zugabe. Oder
die Zugaben. Je nach Durchbruch oder Nicht-Durchbruch. Und der Luise ist jetzt
schon schlecht. Nach dem Opener. Und vor dem ersten Lied. „Susanne“! der Titel.
Dann folgt „Lulu“! „Ariane“! „Katinka“! Und: „Küsse auf der Haut“! Mein Lied.
Denkt Luise. Sie sucht den Blick ihres Mannes. Er weiß, wo sie sitzt. Seine
Frau. Die Luise. Doch Lars Dietrich blickt nach innen. Oder diffus in die Leere
der unbesetzten Stuhlreihen. Abwechselnd nach innen und in die Leere hinein.
Und Luise fühlt sich beraubt. Beraubt und betrogen. Belogen und besaut. So
fühlt sich die Luise. In diesem Moment. Und nun: Ab in die Pauseeeee mit Euch!
Ihr Lieben! Und Lars und Lars verschwinden lächelnd, zwinkernd und winkend
hinter dem roten, fleckigen Vorhang. Was für ein Abgang! Stöhnt begeistert und
sich Luft zu- wedelnd Luises Nachbarin zur Linken. Sooo süß die Beiden! Genial!
Grandios! Hochbegabt! Ach ja! Sooo süß! Und Luise zwängt sich, an den, noch
immer Applaudierenden, vorbei. Und stürmt auf die Bühne. Und sucht im Vorhang
den Durchgang. Und strauchelt nach Backstage. Direkt in die Arme von Lars Dietrich.
Und der hält sie warm. Und der drückt sie an sich. Berührt von der Schönheit
des Abends. Ach, Luise. Ist das nicht eine Gaudi? Tut das nicht gut? Und er
will sie gar nicht mehr los lassen. Die Luise. Und gibt ihr einen Kuss auf die
Stirn. Und Luise macht sich frei. Löst sich aus den verknoteten Armen von Lars
Dietrich. Diesen Armen die sie mit einem
Knoten gefangen halten. Das ist Scheiße! Sagt sie. Die Luise. Das ist ganz
große Scheiße! Und ihr schämt euch noch nicht einmal! Ihr Vollidioten! Ihr Total-Autisten! Ihr egomanen Arschlöcher!
Woher kennt ihr Euer Publikum? Na? Woher? Und Lars Dietrich steht erschüttert.
Zu Stein erschüttert und gelähmt. Und Lars pfeift anerkennend durch zwei
Finger. Alle Achtung! Luise! Unsere feine Luise! Unsere ach so seriöse Luise!
Donnerwetter! Und dann schiebt er sich neben die Luise und greift sie am Arm.
Wie ein Polizist greift er sie am Arm. Und schiebt sich mit der Luise vor den
Vorhang auf die Bühne. Weißt Du, Du arme Frau, was du dem Lars Dietrich gerade
antust? Weißt du das? Luise? Häh? Der tut das auch für dich! Luise! Der
strampelt sich ab! Tag für Tag! Der will dir was bieten! Der will dich –
endlich- zufrieden stellen! Der will dir zeigen, was er drauf hat. Der Lars
Dietrich. Und was machst du? Du zeterst wie eine Spießbürgergattin! So zeterst
du! Schreist Zeter und Mordio! Luise! Und machst Alles kaputt! Luise! Nimmst
ihm den ganzen Erfolg! Luise! Und zerstörst ihm den Abend! Das ist sein Abend!
Und das ist mein Abend! Und wenn er dir nicht passt, der Abend, dann solltest
du gehen! Luise! Ganz schnell abhauen! Luise! Denn viel besser wird der nicht
mehr! Der Abend! Auch wenn er großartig ist! Der Abend! Aber dir gefällt er ja
nicht! Der Abend! Weil du nicht ertragen kannst, dass der Lars Dietrich noch ein
eigenes Leben hat! Neben dem Leben mit dir! Luise! Das kannst du nicht
ertragen! Das ist das Problem! Luise! Das ist das Problem! Und endlich schweigt
der Lars. Und die Luise schaut ihn mit großen Augen an. Und sagt: Pfui Deibel!
Und ein Schauer schüttelt ihren ephebischen Körper. Als sei ein Sturm an ihr
dran. Ein Sturm. Und Lars spürt die ungemeine Verachtung von Luise. Eine
Verachtung, die er immer schon an ihr wahrgenommen hat. Die spürt er heute so
deutlich. Wie er sie sonst nie gespürt hat. Und er nickt mit seinem Kopf. Nickt
frech in ihren Blick hinein. Und hört nicht mehr auf. Mit dem Nicken. Ja!
Flüstert er. Vier der Frauen sind von Geil.de! Und eine davon, eine rassige
Brünette, ist ganz wild auf den Lars Dietrich! Und neun der Frauen sind von Lebenslust.de!
Und fünf der Frauen sind aus Parkavenue.de! Eine der Frauen kenne ich von
irgendwoher! Und die sechs Anderen haben wir aus SpringendeHerzen.com
rausgepickt! Ja! So sieht das aus! Das Marketing! Und Lars nickt und nickt.
Nickt frech in den Blick von der Luise hinein. Sei ruhig! Lars! Sei ruhig!
Die gepresste Stimme von Lars
Dietrich dringt zu Luise vor und bewahrt sie vor weiteren Schrecken. Luise!
Fleht Lars Dietrich. Bleib ruhig! Bleib hier! Bleib bei mir! Ohne dich, kein
Abend! Ohne dich, kein weiteres Lied! Und er übernimmt den Arm von der Luise
aus dem Griff vom Lars und führt sie wie eine Mondsüchtige ab. Führt sie zu
einem einzeln stehenden Stuhl. Direkt am rechten Bühnenrand steht der. Dieser
verloren gegangene Stuhl. Und drückt sie auf den Stuhlsitz. Und gibt ihr vor
aller Augen einen glühenden Kuss auf den Mund. Bleib! Bitte! Bleib! Und schon
ist er zurück auf die Bühne gesprungen. Der Lars Dietrich. Und steht inmitten
des erneut aufflammenden Lichtkegels.
Und umklammert das Mikrofon. Und schaut seiner Luise in die Augen. Für die
Einzige! Ruft er in fünfundzwanzig entsetzte Gesichter hinein. Für meine Frau!
Die Liebe meines Lebens! Und Lars haut in die Tasten. Und Lars Dietrich singt
es noch einmal. In einer langsamen Variation. Das Lied. Von der Luise. Küsse
auf der Haut! Und fünfundzwanzig Herzen schmelzen dahin. Und fünfundzwanzig
Seelen verfluchen die Einzige. Und fünfundzwanzig Augen verbrennen Luises roten
Schopf. Und Luise weint. Und Luise ist glücklich. Und Luise ist erschöpft. Glücklich.
Weinend. Erschöpft. Und so geht er hin. Der Abend. Der wieder nicht wirklich der Durchbruch geworden ist.
Der Durchbruch zweier Künstler. Der Durchbruch von Lars und Lars. Aber eben
doch ein Versuch. Das ist er gewesen. Der Abend. Immerhin. Ein Marketing-Versuch. Und ein
Marketing-Streich. Das auch. Immerhin. Und irgendwie auch eine Gaudi. Durchaus.
Und am Ende gibt es keine stehenden Ovationen. Aber eben doch einen
respektablen Applaus. Und deshalb zwei Zugaben. Einen Raver-Step. Und ein
schmelzendes Liebeslied. Ein Duett. Von Lars und Lars. Titel: Carina!
Und die
Luise?
Die Luise hat sich nichts mehr dabei gedacht. Und das ist vielleicht
auch gut so!
Und nach diesem Abend geht der Lars, mit einer rassigen Brünetten,
in die Nacht hinaus. Und Luise und Lars Dietrich kommen nur langsam voran. In
jeder dunklen Nische bleiben sie stehen. Und drücken sich aneinander. Und
pressen die Münder aufeinander. Und umschlingen einander mit Tentakel-Armen. So
schön ist es gewesen! Lars Dietrich! So schön! Flüstert Luise in Lars Dietrichs
Mund hinein.
Und der sagt: Ja!