Stille - Stiller -Esoterik!



Retten Sie die Esoterik vor dem Ausverkauf!

 „Ihr Lieben, heute bin ich wieder für Euch da, exklusiv und für 50 Cent pro Anruf aus dem Festnetz!“
 Die Stimme aus lächelndem Mund gehört zu einem Produkt, die „Lieben“ in der Anrede sind die potentiellen Kunden, die das Produkt konsumieren sollen.
Die Erde ist eine Münze, welche die Himmelskörper für sich kreisen lässt!
Ptolemäus trifft auf die Regeln des Verkaufsfernsehens und keiner wundert sich!
Verzeihen Sie, lieber Leser, die Polemik meiner ersten Zeilen. Aber auch ich verkaufe hier ein Produkt. Das Produkt heißt: „Retten Sie die Esoterik vor dem Ausverkauf!“
 Das Gute daran: Es wird Sie gar kein Geld kosten. Sie müssen sich nur auf die Reise begeben!
Die Reise ist eine Suche nach dem Essentiellen. Sonst nichts!

Das zu Findende liegt tief in Ihnen selbst. Sie müssen nur buddeln! Oder Stille aushalten!
Oder sich selbst!

„Puh“, höre ich so Manchen aufstöhnen. „Puh! Das klingt anstrengend!“
Zappen wir doch lieber gleich mal wieder ins Esoterik-TV hinein.  Da ist es doch, da kann man das alles im TV-Shop bestellen. Zum Beispiel: „Mächtiger Kristallschädel - stärkt die Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele“. Jawohl, den gibt es heute im Sonderangebot! Um rund 50 Euro reduziert!
Bestellen, überweisen, frei Haus kommen lassen und ins Wohnzimmer stellen.
Ja, vielleicht werden Sie sich auch einmal im Schneidersitz davor hinsetzen. Aber seien Sie ehrlich, das gute am Schädel ist doch, dass er ein „Produkt“ ist, ein „Konsumgut“.  
Er wird von  ALLEINE für SIE arbeiten! 

Gehen Sie in sich und gestehen Sie: Sie sind ein perfekter Esoterik-Kunde!
Nun gut, warum nicht!
 Die Erde ist eine Münze und lässt die Himmelskörper für sich kreisen. Sie kreisen halt ein bisschen mit!
 ...u.s.w. und so fort! (Aus dem Originaltext einer Kolumne der Paganini´s-Redakteurin für ein Wiener Hochglanzmagazin Ende 2011)

STILLE!

Könnte die Paganini´s-Redaktion sich etwas wünschen, so wäre es das "Pausieren" der Begriffe "Esoterik" und "Spiritualität" für die kommenden Jahre. "Esoterik" als Antipode zur "Exoterik" ist mittlerweile unbekannt, Esoterik als "Suche", völlig transformiert und deformiert, zur Aufforderung des raschen "Findens" im bunten Pool einer Kaufhaus-Angebots-Welt geworden. Die Schuldigen und die Opfer dieser Tatsache werden immer wieder neu definiert, gesucht und gefunden, sei es im Versagen der Kirchen, sei es in der Labilität der Gesellschaft, sei es in der raffinierten Verkaufsstrategie der Esoterik-Branche.

Aber: Jede Zeit und jede Kultur hat und hatte die "Esoterik" und die "Spiritualität", die zu ihr passt!
Eine Neu-Besinnung und -Definition dieser derzeit inflationär und nahezu beliebig gebrauchten Begriffe täte Not!

Berlin ist nicht nur Hauptstadt, es ist auch eine Hauptstadt der Esoterik. Hier gibt es ganze Straßenzüge, die sich an diese verschrieben haben und hier wird auch das erfolgreichste Esoterik-TV-Format produziert.
"Alles ist Energie",  ja, was sonst und deshalb läßt sich in postmodernen Zeiten auch alles "energetisiert" produzieren, bewerben und an den Mann bringen, was denkbar ist.
Nur die "Suche" und die "Stille" mußten ausrangiert werden.
Stille, gemiedene Horrorvison, empfunden als die "Stille nach dem Schuss".
Suche, gemiedene Horrorvision, empfunden als "Manko".
"Mir fehlt doch nichts, ich hab doch alles"!


Reichtumsring! Astro-TV!

STILLER!

 Der "Stiller" von Max Frisch, ist weit davon entfernt, ein esoterischer Roman genannt zu werden.
Vorangestellte Zitate im Buch sind aus "Entweder-Oder" von S. Kierkegaard entnommen.
Stiller ist der moderne Mensch. Charakter. Individuum. Scheiternd an Zwängen und Scheiternd an der Freiheit der Wahl!
Legendär der Trotz des ersten Satzes, die Postulierung der Verneinung von Anerkennung jeglicher Determination:
"Ich bin nicht Stiller!"
Wer dann?
"Wir haben die Sprache, um stumm zu werden".
"Je genauer man sich auszusprechen vermöchte, umso reiner erschiene das Unaussprechliche".

Stiller begibt sich, nach einem als unauthentisch empfundenen Leben und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch, auf die Suche nach dem eigentlichen Ich. Dafür wandert er sogar ins Gefängnis, penetrant seinen Namen leugnend.
Am Ende des Buches berichtet er von einem Erlebnis:
Er hat versucht sich zu töten. Die Pistole streift nur sein Ohr. Er verliert dennoch das Bewusstsein.
Ihm erscheint sein "Engel":
" Es war, fade gesprochen, eine große Verblüffung., etwa, wie wenn man von einer Mauer springen würde, um sich zu zerschmettern, aber der Boden kommt nicht, er kommt nie, es bleibt Sturz, nichts weiter, ein Sturz, der auch wieder gar keiner ist, ein Zustand vollkommener Ohnmacht bei vollkommenen Wachsein, nur die Zeit ist weg, wie schon gesagt, die Zeit als Medium, worin wir zu handeln vermögen; alles bleibt wie gewesen, nichts vergeht, alles bleibt nun ein für allemal."
Und weiter:
"Kann man denn hierüber sprechen? Ich kann lediglich sagen, daß es dieser Schrecken ist, was ich meinen Engel nenne..."
Und noch weiter:
"Es blieb mir die Erinnerung an eine ungeheure Freiheit: Alles hing nur von mir ab; ich durfte mich entscheiden, ob ich noch einmal leben wollte, jetzt aber so, daß ein wirklicher Tod zustande kommt. Alles hing nur von mir ab, ich sagte es schon. Näher bin ich dem Wesen der Gnade nie gekommen!"


Max-Frisch-Ausstellung in der AdK

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