Der wunderbare Buchanfang: XXXIX. Teil!

 

"Ein Buch, das nicht mit einem Paukenschlag anfängt, lese ich nicht!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)

Die Paganini´s-Redaktion will sich dieser Polemik nicht zu Hundert Prozent anschließen.
Und doch bleibt es unbestreitbar: Die Verführungskraft der ersten Zeilen eines Buches entscheidet sehr wohl darüber, ob wir es tatsächlich zu Ende lesen, oder frühzeitig zur Seite legen.

Deshalb in loser Folge bei Paganini´s:
"Der wunderbare Buchanfang!"

Diesmal der Debut-Roman eines Berlin-Brandenburgischen Autors, der bereits Lit.-Preise mit legerer Geste einstecken durfte und mit Sicherheit weiteren Ehrungen (bei sengender Sonne, vielleicht auf einem Pferd namens "Mannequin") entgegenreitet. Gemeint ist:

Konrad H. Roenne 
"Hoch Mittag"

Prolog, in dem ein Rollator gesucht wird.


Nennt uns Bewohner ...
... und nicht Klienten!
Ihr alle kennt sicher die Stunden, in denen sich etwas ankün-
digt, von dem man aber nicht genau weiß, was - und vor allem: wie
es sein wird. Und falls ihr sie nicht kennt, so werdet ihr sie noch kennenlernen.


Bon Boncuk, der Kater, präsentiert "Hoch Mittag"

Es gibt so unzählig viele Bücher. Gute Bücher. Schöne Bücher. Und nur ganz, ganz selten einmal (bezogen auf Gegenwarts-Literatur) hält man ein BUCH in der Hand. Und "Hoch Mittag" ist ein solches, nämlich ein BUCH oder (wie es unter uns, der Paganini´s-Redaktion, genannt wird) ein BuchBuch. Und das bezieht sich wahrlich nicht nur auf die wunderschöne Aufmachung des knapp 370-Seiten-Buchs, sondern weit mehr noch auf das Buch als solches, also den Text, dessen Sprache man sich getrost vom ersten Wort an überlassen kann, in die man sich einfach nur hineinfallen lassen muss, um eine wirkliche Reise zu tun, eine Reise, die so, ausschließlich durch und mit Literatur zu erleben ist, eine Reise also auf dem weichen Rücken der - durch Höhen und Untiefen hindurch - immer geduldig tragenden Worte. Worte wie Kremserwagen, Worte wie Pferde, junge Worte, alte Worte, ironische, lakonische und poetische Worte ...

Doch nun mal von Anbeginn an: "Hoch Mittag" steht gewissermaßen für eine Utopie. Und wie es manchmal so mit Utopien ist, zu deren Realisierung benötigt es in der Regel wenig zimperliche Mittel. 
Ein gewisser Herr Geißler, ehemaliger Leiter der "Residenz Zentral" ist zu diesen bereit, indem er "seine Alten" aus dem städtischen Moloch Berlin ins brandenburgische Grün eines Reiterhofs lockt und die Gruppe dort, mitsamt des Begleit-Personals, mit Hilfe zweier Gefolgsleute (den "Dicken") in Empfang nimmt (sie in seine Gewalt bringt). Es folgt ein Road-Movie durchs Oderbruch, auf Kremserwagen und hoch zu Ross, irgendwann verfolgt vom aktuellen Geschäftsführer "Axt" (ein Gehetzter auf der Flucht vor sich selbst) und später gar vom LKA. 

Die Erzähl-Perspektive entspringt meist einem recht uneindeutigen "Wir" (dem Kollektiv der alten Herrschaften), ab und an unterbrochen vom "Ich" des Herrn Zimmermann/Axt. (vermutlich also einem nahen Verwandten des Autors?) Auf den Prolog folgt das eigentliche Abenteuer der Erzählung, die Fahrt ins Ungewisse, es schließen sich an: Epilog I und II. Auch wenn die Utopie gestorben scheint, die Legende lebt!  

Es ist ein lakonischer, vordergründig ironisch zwinkernder, manchmal gar schwarzhumorig aus Abgründen winkender Textfluss, der an der Oder entlang führt. Ganz und gar entsprechend dem skurrilen Eindruck, den die "Belegschaft" der städtischen "Residenz" im ländlichen Raum hinterlässt. Passend zu den Schrullen, den irrationalen Sehnsüchten und Ängsten, der, vom langen Leben gezeichneten, Protagonisten. So tragikomisch der Inhalt, so leichthin und amüsant die Schilderung, dass 370 Seiten im Flug zu vergehen scheinen. Zumal immer wieder pausierend, unterbrochen nämlich, durch die zum BUCH gehörenden Exkurse, in denen Tiefe und schillernd Poetisches Raum greifen darf, also Sätze wie diese:

"Der Moment voll Wunder und schrecklichem Zauber, voll Endgültigkeit, wenn zum ersten Mal die Bewegung einsetzt und alles zu beginnen scheint; und wenn sie aufhört zu sein, wenn so vieles endet, wenn wir zu Pflanzen und unsere Helfer zu Gärtnern werden - im Rollstuhl geschoben, wie man die Gewächse im Frühjahr oder im Sommer nach draußen bringt. Von außen ist zu sagen: Was macht das schon! Alles ist Gnade. Von innen ist zu fragen: Das war es nun?" (EXKURS V: MOBILITÄT)

Wer "Hoch Mittag" nicht liest, ist selber schuld!


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