Das wunderbare Sommer-Lese-Buch


Diesmal befindet sich die Paganini´s-Redaktion auf wunderbaren Abwegen, begleitet von katzenhaften, kleinen Drachen an der Grenze zur History-Fantasy, die durch elegant, verschlungene Sprachkunst von großer Lebendigkeit ist. 

Maike Claußnitzer
"Der Torfschuppenmord"


Pati, das Katerchen, präsentiert den "Torfschuppenmord"


 Man muss auch einmal rechts und links vom Wegesrand laufen und nach Abzweigungen schauen, die einen dorthin (ent-)führen, wo man sonst nie gelandet wäre. So ging es uns mit Maike Claußnitzer, die uns in SoMe immer wieder auffiel, sei es durch einzigartige Rezensionen zu verschiedensten Büchern, die in sympathischer Weise immer auch Perlen der Indie-Literatur oder von Selfpublishern im Licht einer Öffentlichkeit funkeln machten. Oder auch,  weil sie mit Begeisterung und Leidenschaft die Entstehung eines ihrer neuen Bücher teilte und eine große Sorgfalt bei den Recherchen zum Thema sowie der Präsentation desselbigen durch Sprache, selbst gezeichnete Illustrationen oder der Gestaltung der großartigen Cover (durch saje design) erkennen ließ. 

So also kam es, dass auf einmal "Der Torfschuppenmord" auf unserem Leseplan stand. Ein schönes Buch, so ein Buch, das ein wenig an eine Schatztruhe erinnert, wenn man es in Händen hält, mit Blutstropfen auf dem Cover, 13 Kapiteln plus einer drangehängten Liste "lateinischer Einsprengsel" als Nummer 14, so dass die Zahl 13 eine weniger große, durch Aberglauben vererbte, Bürde erhält und wunderhübschen Zeichnungen zu einer kleinen, niedlichen Drachengestalt genannt "Gjuki". "Der Torfschuppenmord",  man merkt es sicher schon, balanciert traumsicher zwischen fantastischen Welten voller Zauber, Geistern, Trollen und mythischen Wesenheiten sowie der durchaus realistisch anmutenden Welt, die uns aus Überlieferungen aus dem Mittelalter bekannt erscheinen. 

Dies ist kein Wunder, denn die Autorin ist Mediävistin, Germanistin, Übersetzerin und Autorin, die, neben ihren fantasievollen Geschichten, auch streng wissenschaftliche Abhandlungen über Totentänze, das Mysterienspiel oder Literatur des 15. Jahrhunderts geschrieben hat. Beste Voraussetzungen also für ein Buch, das sich der Motive aus Sagen, Mythen und mittelalterlichen Überlieferungen bedient, diese mit der  (neu interpretierten)
Lebenswelt des gar nicht nur düsteren Mittelalters verknüpft und - neben einer Spannung aus Krimi-Elementen - mit einer Mischung überrascht, die feinsinnig, mit leiser Ironie, den 
Spagat beherrscht, der Perspektive als Heutige gerecht zu werden.

"Der Dolch, den sie an ihrem nebelschwadengleichen Gürtel trug und gelegentlich zog, um damit zu spielen wie eine weit jüngere Kriegerin, die ihr Geschick zur Schau stellen wollte, schien aus Bronze zu sein und war wie die sonderbare Spange, die ihr hochgestecktes graues Haar hielt, ein Zeichen dafür, dass sie schon seit Jahrhunderten da sein musste." Mit wunderbar verschlungenen Sätzen wie diesem, charakterisiert Maike Claußnitzer jeden Einzelnen ihrer Figuren, sprachlich souverän und virtuos den Klang vergangener Zeiten imitierend, um zwischendrin durchaus mit derben Sitten, Flüchen oder Humor aufzuwarten.

Der Inhalt des Romans soll hier nur angedeutet werden, zumal "Der Torfschuppenmord" in der Nachfolge von "Tricontium" steht und sicher weitere Bücher folgen werden, die Geschichten von der wunderbar herb-herzlichen Richterin Herrad, deren Mann Wulfila sowie Ardeija, ihrem Hauptmann, erzählen. Diese sind diesmal zu einem unfreiwilligen Neuanfang in der Seemark verurteilt worden, wollen sich gerade etwas gemütlicher in ihrem neuen Tätigkeits-Umfeld einrichten und schon geschieht ein böser Mord aus dem Hinterhalt, natürlich zunächst als Unfall getarnt. So gibt es also sofort reichlich zu Tun für die Drei, deren Charaktere fein und genau geschildert werden, so dass die Beobachtung derer (Zusammen-)Leben, immer wieder für Amüsement, Staunen und lustvolles Lesevergnügen sorgen.

"Meine Geschichten spielen alle in derselben Welt, die relativ eng an unsere reale angelehnt ist, aber eben einige unverzichtbare Ergänzungen wie Drachen, Greifen, ein wenig Magie und Gleichberechtigung in einem frühen Mittelalter haben ..."

So fasst die Autorin auf ihrem Mastodon-Account zusammen, was das Erstaunliche an ihren Büchern ist. Sie verfügen über eine gewagte Mixtur aus Fantasie, detailfreudiger Mittelalter-Kompetenz und ironisierender Menschenfreundlichkeit, so dass die Paganini´s-Redaktion (nach zugegeben anfänglicher Skepsis) ein wenig neidvoll darüber nachsann, welch ungestüme Freude es sein muss, in dieser Buch-Welt als Schreibende zu versinken, um aus dem Bodensatz der allzu menschlichen Ungeheuerlichkeiten (wie sie ja nun einmal auch in einem Mord liegen), das Wertvolle am Menschen herauszufiltern, ohne auch nur einmal der Gefahr von Kitsch zu erliegen. Im "Torfschuppenmord" siegen die alten Werte "Glaube, Liebe, Hoffnung" ganz so, als sei das das Allernatürlichste auf der Welt. Mindestens genau so natürlich wie das Akeleiengespenst.

"Am Ende eines schmalen Stängels, der flüchtig wie ein Nebelhauch wirkte, saß rauchzart und durchscheinend eine einzige Akeleienblüte, durch deren Hauch von Erinnerung an ein schönes Blau der Stoff, auf dem sie lag, deutlich zu erkennen war."

Ein sich steigernder, großer Zauber liegt über dem Ende des "Torfschuppenmord" von Maike Claußnitzer. Mit deren Augen die Welt betrachtend, geht man nach dem versunkenen Lesen ein wenig zuversichtlicher ins Hier und Jetzt zurück. Unser "wunderbares Sommerbuch 2024". Merci!



Mehr zu "Der Torfschuppenmord" mitsamt Leseprobe, sowie viele Artikel und Informationen gibt es auf dem Blog von Maike Claußnitzer ->

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