Die Suche nach dem allerersten Kinderbuch...

...führt über Neukölln-Rixdorf hinein ins verloren geglaubte Paradies!



Orbis pictus, Comenius, @CC


Die besten Streiche spielt uns noch immer das Schicksal. Und das folgt häufig geheimen Fäden. Erneut  (und nach Jahrzehnten eines Versuchs, das Erwachsenen-Leben zu bestehen) mit der Nase auf "Max und Moritz" gestoßen worden und darum niesend auch den "Struwwelpeter" aus der verstaubten Schublade ziehend, stand in großen LETTERN eine bis dato nicht interessierende Frage hinter unserer (der Paganini´s-Redaktion) Stirn:
Was, wenn gar nicht "Max und Moritz" und der "Struwwelpeter" die erste Generation der Comics für Kinder gewesen sind? Wer hat es dann verfasst und wie ist es gewesen, das allererste, populäre und illustrierte Kinderbuch der Welt?
Doch Fragen, die ungefragt hinter Stirnen  aufblinken, ziehen im Geiste wie Wolken weiter und hinterlassen nichts. Dieses Nichts zeigt sich als Leere, die bis dato so nicht offenbar gewesen ist.
Mit anderen Worten: wir hatten keine Lust zur Recherche, doch das Schicksal ließ uns nicht in Ruhe ignorieren.

Sonderbar sind der Nornen Winkelzüge. Sengende Sonne Anfang Juni in Neukölln. Müde der Rixdorfer Pflastersteine unter brennenden Füßen machen wir Rast, lehnen uns leger an einen hölzernen Zaun, den wir seit Jahren als unbezwingbar kennen. Und auf einmal springt auf das Tor, das stets verschlossen schien und hinter dem der "Comenius-Garten" auf einem Täfelchen angekündigt liegt. Uns genügte bisher ein Blick ins unspektakulär scheinende Grün hinein. Ein Garten ist kein Park und daher nicht öffentlich, so unser Vorurteil. Was wäre uns da fast entgangen!

Nicht nur die Findung des allerersten, illustrierten Kinderbuchs, nein, auch die Bäume und Sträucher und Gräser der Erkenntnis, die mitten in das verloren geglaubte Paradies hinein winken. Eine Wonne, eine Natur, eine einzige Harmonie, mitten im Brennpunkt-Bezirk Neukölln. Our Heart is open now for this strange Area.


Comenius-Garten, Natur-Paradies mitten in Neukölln, @Paganinis

Wiese! Wie lange ist es her, dass unsere Augen sich tatsächlich an einer Wiese sattsehen konnten. Nicht an einem Rasen und nicht an Gras und nicht an einem Monokultur-Feld und nicht an einer Grün-Anlage. Sondern an einer Wiese, deren Vielzahl an Halmen, Blumen und Kräutern im Wind rascheln, dazu die Bienen und Käfer ihr Summen und Surren zum Besten geben. Natur pur und doch nach strengen Regeln geplant und gepflegt.

Und hier, an dieser Stelle, werden wir neugierig und finden so das allererste, illustrierte Kinderbuch der Welt! Denn auf die nahe liegende Frage, was ein Naturschutz-Gebiet mitten im Großstadt-Berlin verloren hat, gibt nur ein asketisches Hinweis-Schild am Gartenzaun eine vage Antwort, die nun doch nach weiterer Recherche schreit. Das Schicksal macht nicht geneigt, das Schicksal zwingt. Es führt uns zu Comenius. Denn in seinem Geiste ist dieses Idyll geboren worden. Und in seinem Sinn sitzen hier nun eine bunte Kinderschar um einen langbärtigen Philosophen herum unter den Kirschen und reden über Sonne, Mond und Sterne, deren Spiegelbild im Teich erscheint. Was für eine Pracht aus Nostalgie!

Lange her ist es, dass Johann Amos Comenius seine neuzeitlich anmutende Pädagogik erfand, die vom Kind her gedacht, auf Zwang verzichtete, um das Humane im Menschen durch freudvolle Wissensvermittlung zu wecken. Als Tüpfelchen auf dem "i" seiner Reform, schrieb er das 1. Kinderbuch der Welt, das sich mit dem Gesamt eben dieser Welt in Muttersprache und Latein auseinandersetzt und mit gedruckten Holzschnitten illustriert ist. Lateinfibel, Lehrbuch für deutsche Sprache und Enzyklopädie. Doch staunen Sie selbst!(Link zum Buch unten!)

Wir wollen uns jetzt die Sonne auf den Pelz brennen lassen und im Comenius-Garten die Füße hochlegen. Kindheit ist immer. Auch Heute. Für uns.




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