Alljährlich grüßt der Herr der Bären...
...und gibt sein Motto aus: "Das Private ist politisch!"
Film liegt in der Berliner Luft. Kino. Und das Politische. Beides vereint im grauen Himmel über Berlin. Viele Fragen und Erwartungen rieseln hinunter. Das Kritische sowieso. Es ist die Zeit gekommen, die Zeit der Berlinale. Denn Zeit kommt. Und Zeit (ver)geht. Und dazwischen ist ein Film. In diesem Fall sogar 400 an der Zahl. Darüber schwebt ein Slogan: "Das Private ist politisch"!
Gefunden hat ihn Dieter Kosslick, der seit 18 Jahren - alljährlich mit der Vorstellung des Berlinale-Programms - einen (passend zu seinem legendären Schal) roten Faden benennt, der sich thematisch durch die Vielzahl der ausgesuchten Filme zieht. Ein Halt in Zeiten der Unübersichtlichkeit, ein Rahmen für alle Sektionen, Ästhetiken und Stile.
In der aktuellen Jury-Pressekonferenz stürzen sich die Journalisten dankbar auf dieses Stöckchen und löchern zunächst die Jury-Mitglieder und bald darauf auch RegisseurInnen und SchauspielerInnen mit der Frage nach dem Bezug vom Film zum Politischen und umgekehrt. Die Findung des "Berlinale-Mottos" ist unbestreitbar eine der großen (vielen!) Findungen des Berlinale-Chefs.
Juliette Binoche, die diesjährige Jury-Präsidentin, bleibt in der Antwort verhalten und beschwört weniger die aktuelle Weltlage, als das Allgemeine: "Es muss menschlich sein. Und wenn es menschlich ist, dann ist es auch politisch".
So ist es natürlich eine bewusste Setzung, dass der Eröffnungsfilm des Wettbewerbs von Lone Scherfig einer Botschaft mit therapeutischer Wirkung gleicht. Eine Frau auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, mitten in der klirrenden Kälte der Großstadt New York, 2 Kinder an den Händen und mittellos, trifft in der Fremde auf Mitgefühl und menschliche Anteilnahme.
So könnte es gehen in der Welt und mit der Welt! Und so kann es gehen im Kino, wenn politische Themen auf intime Weise angesprochen werden!
Denn Kino ist eine Sprache. Das sagt nicht nur Elfriede Jelinek, das sagt auch Juliette Binoche.
Und "Film ist eine transzendente Erfahrung". Das sagt Jury-Mitglied Trudie Styler. Und eine magische, kollektive Erfahrung obendrein. Ach, Kino ist so Vieles!
"Film ist Bewegung, ein Zeitvergehen, das auf genauester Planung beruht. Nur die brutalsten Maßnahmen können die Bilder zwingen, sich in eine bestimmte Aufeinanderfolge zu begeben und dort zu bleiben, in der Bewegung, aber man hat sich vorher genau ausgerechnet, wie das zu geschehen hat. Film suggeriert, daß alles, was ist, berechenbar sei. Aber jedes Leben, auch das eigene, vergeht, während man sich noch diesen oder jenen Film auf der Leinwand anschaut. Das eine Vergehen, das im Film, kann man berechnen, das des eigenen Lebens nicht..." (Elfriede Jelinek)
"Kino ist auch nichts anderes als ein überhöhter Moment des Widerstands gegen die Vergänglichkeit. Das klingt einfach, ist aber tröstlich." (Juliette Binoche)
Womit wir wieder bei der Zeit wären, die ja ebenfalls stets eine politische ist. Eben eine jeweilig politische. Das Kino kann die Zeit einfangen. Das Theater muss sich mit der Zeit herum schlagen.
Und mit dem Politischen. "Theater und politische Bildung – geht das überhaupt zusammen?" fragt
sich Christian Rakow und mit ihm die Theater und ihr Publikum. Der Film und die Berlinale scheinen leichtfüßiger damit umzugehen.
Irgendwie um Zeit und um das Politische und um das Kino geht es auch bei Rene Pollesch und seinem jüngsten Streich im Deutschen Theater Berlin. Da erinnert er mit "Black Maria" an das erste kommerzielle Filmstudio der Welt (mehr dazu in Kürze).
"Beim Film lässt sich beobachten, dass die meisten, die über ihn nachdenken entweder an die Bewegung glauben und das Bild übergehen, oder am Bild festhalten und die Bewegung übergehen. Sie berücksichtigen dann nicht den Film, der zum Beispiel, wie etwa beim Kinematographen 50 Prozent dessen, was beim Schauen vor den Augen liegt, im Unsichtbaren belässt. Und darum müsste es vielleicht gehen..." (Tja, Rene Pollesch)
Hier also hat er das Laufen gelernt, der Film: "Die Filme aus dem Black-Maria-Studio zählen zu den ältesten Aufnahmen der Filmgeschichte. Die meist unter einer Minute langen Filme wurden zunächst in Kinetoskopen vermarktet, ab 1896 wurden die Filme auch auf Leinwand projiziert." (Wikipedia)
Herausgekommen ist ein Erzeugnis wie Dieses. Ein Zeugnis für die These, "dass der Film wohl Vergänglichkeit gleichermaßen verhindert als auch dokumentiert." (Boncuk, der Kater!)
Die Frauen-Quote hat es zu Zeiten der "Black Maria" eindeutig nicht gegeben. Der Fortschritt seitdem ist unübersehbar. Da ist die Wettbewerbs-Jury, die von einer wunderbaren Frau angeführt wird. Und von den 17 Filmen des Wettbewerbs, entstanden 7 Filme unter weiblicher Regie. Immerhin. The Future is Female!
Und noch einmal die Vergänglichkeit der Zeit. Der Abschied von Dieter Kosslick rückt nahe. Ein Ständchen von Anke Engelke und Max Raabe lassen fast eine Träne sichten, in den Augen des Direktors. Die Kamera hat sie aufgefangen. Auf ewig archivierbar. Dazu Standing Ovations!
Alexander Scheer sitzt im Gala-Publikum und sieht aus wie David Bowie.
Wiederauferstehung geht eben auch. Manchmal. Wo auch immer.
Alles rund um die Berlinale wie immer unter www.berlinale.de
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