Die kleinen Füchse...

...sind ziemlich ausgefuchst!


Und dennoch:

"Man hat kein Recht, seine Figuren gut oder böse zu finden. Darum geht es überhaupt nicht, wenn man über Menschen schreibt. So etwas sehen immer nur die anderen."

Soweit die Autorin des Stückes, Lillian Hellmann, in einem Interview aus dem Jahr 1967.

2014  gehören die kleinen Füchse, in der Thomas Ostermeier-Inszenierung der Schaubühne, zu einer der Berliner Theater-Sensationen: Jede Aufführung ist bis heute sofort restlos ausverkauft gewesen!
Und so sitzen wir, die Paganini´s, am 1. Weihnachtsfeiertag auch ganz am Rand der Reihe 13,
einer Preiskategorie, die wir uns normalerweise nicht leisten wollen. 7 Wochen zuvor um Karten bemüht, gab es online nur noch eine Hand voll Restexemplare der kostspieligeren Sorte.

Vorweg: "Dat hat doch jelohnt, dat is doch in Farbe und 3D jewesen!"
(Zitat von Paganini, dem Kater)

Gemeint hat er, der schwarze Kater, nicht nur Nina Hoss  im roten Kleid.

Nein, gemeint hat er die ganze Dreidimensionalität eines Bühnengeschehens, das nur im Theater denkbar ist.
Wie wunderbar, durch den Wiedererkennungswert eines Stars des deutschen Kinos, den Unterschied von Spiel und Wirkung - in Zelluloid gebannt und auf Theaterbrettern präsentiert - so sinnlich reflektieren zu können.
Und neben Nina Hoss agieren immerhin weitere Gesichter mit Filmografie, wie Mark Waschke und Thomas Bading.
Das Körperliche und die Stimme lassen bekannte Gesichter auf einmal verschwimmen, die Archaik der Theater-Darstellung verweist das Artifizielle der leisen Mimik in den Hintergrund.

Thomas Ostermeier nannte einmal weitere Vorzüge der Theater-Arbeit, gegenüber filmischer Darstellung. Es gäbe eine größere Freiheit in der Behandlung von Stoffen und Themen. Die vielfältige Perspektive der Dreidimensionalität verstärke die Interpretationsfreiheit des Zuschauers.

Und Eines fällt überdeutlich auf, wenn man die Ostermeier-Inszenierungen - seit seiner Zeit als Enfant terrible mit "Baracken"-Appeal bis hin zum heutigen Schaubühnen-Chef - beobachtet hat:
Er hält sich immer mehr raus, der Regisseur, aus der Interpretation!

Umso klarer hält er sich dafür an den modernisierten Text von Lillian Hellmann und deren Intention, nicht plakatives Gut und Böse vorzuführen.

Inhaltlich geht es um eine Familie, nicht unvermögend, deren Mitglieder sich allesamt Mühe geben, einander über´s Ohr zu hauen, um an das ganz große Geld heran zu kommen.
Nina Hoss als Regina, trifft es bei Geschacher, Racheakt und Zockermentalität zunächst am Ärgsten.

Doch die Schöne rettet den Kopf aus der Schlinge, indem sie den Gatten durch "unterlassene Hilfeleistung" rechtzeitig ins Jenseits befördert.

Eine Familie, die Einsamkeit und Isolation generiert. Glück gibt es nicht mehr.
Das durchökonomisierte Leben gehört dem Cleveren.
Viel haben und noch mehr bekommen und dennoch verstrickt bleiben in Abhängigkeiten!

Es gibt keine Wahl, in einer Welt, die keine Welt mehr ist!
So steht Regina am Ende als ökonomische Gewinnerin da.
Sie musste Tun, was zu tun war!

In einer Welt, in der Gesetzmäßigkeiten herrschen, die mit dem Menschlichen nichts zu tun haben, erscheint Regina fast wie eine Medea. Sie verschlingt ihre Familie und ist doch Opfer von Mächten, Die dem ähneln, was früher Schicksal hieß! Unentrinnbar das Ganze!

Großes Theater, ohne viel Tamtam. Getragen von traumsicher agierenden Schauspielern.
Gerade das Asketische des Bühnenbilds verstärkt das fast mythische Licht, in das die durchweg moderne Inszenierung gehüllt ist!





Vergiss nie deine große Mission!

Das stand vor Jahren in großen Lettern über dem Eingang der Schaubühne.
Jetzt steht da Nichts mehr. Der Zuschauer bleibt frei. Und allein.




 

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