Gnade zeigt Vogel...

(k)einen Vogel!

Der Film "Gnade" von Matthias Glasner

Das ist zu hören:
Es ist dieses Rrumms, dieses nahezu archetypisch wirkende Geräusch in Glasner´s Film, (wie der Faustschlag in Dolby Stereo beim Freien Willen), das Alles in Gang setzt.
Mit diesem Geräusch hört Jeder: 
Hier lastet Ungeheuerlichkeit, hier ließ Etwas sein Leben, hier gibt es nur noch das Wegrennen oder das Hinschauen.
Dieses Geräusch wird Einen verfolgen, in die Tiefe der Nacht hinein und es wird die Sonnen der Tage vertreiben, wenn es an Macht gewinnt!
Nach diesem Rrumms gibt es nur noch Gnade oder Untergang!
Aber Nichts wird mehr bleiben können, wie es vor diesem Geräusch gewesen und erschienen ist!
Das Rrumms wirft ein Paar aus der Bahn und hinein ins Existenzielle!
Dieses Rrumms kostet Tod!

Darum geht es:
Nils (Jürgen Vogel), Maria (Birgit Minichmayr) und ihr gemeinsamer Sohn Markus (Henry Stange) sind aus Deutschland nach Norwegen ausgewandert.
"Eine zweite Chance für uns"!
Ihr Leben, ihre Arbeit und wohl auch ihre Liebe sollen neuen Schwung (Sinn?) bekommen.
Doch was so vernünftig beginnt, endet wenige Monate nach der Ankunft in Hammerfest in einer Katastrophe.
Und bevor es mit dieser Katastrophe sowohl endet als auch beginnt, scheint es noch jämmerlicher nach kurzer Zeit gescheitert zu sein.
Depression einer Familie. Enge. Lebenslüge und Täuschung - vorrangig aber Einsamkeit- machen sich rasch breit.

Und dann: Das Rrumms!

Ausgerechnet Maria, die als “guter Engel” und Krankenschwester in einem Hospitz jeden Tag Menschen beim Sterben begleitet, überfährt mit dem Auto in arktischer Dunkelheit ein 16jähriges Mädchen – und begeht Fahrerflucht:
Eine Schuld, die bald größer wird, als Maria es ertragen kann.
“Ich bin nicht dieser Mensch”, sagt sie zu ihrem Mann Nils – und beide beginnen mit erschreckendem Automatismus, dieses Geschehen zwischen sich zu begraben. Nicht einmal Markus, der Sohn, darf davon wissen – doch das ist gar nicht so leicht in dieser kleinen Welt, in der jeder jeden kennt…

Auch Niels geht im weiteren Verlauf an der Schuld, dem Mädchen nicht geholfen zu haben, fast zu Grunde. Er beendet eine seit Monaten andauernde Affäre mit einer Kollegin und beginnt sich Maria wieder intensiv zu nähern – eine Art Gefühls-Durchbruch scheint möglich…

Das ist zu sehen:
Viel Dunkelwelt Norwegens. Eis. Himmel. Vollmond beim Rrumms. Also Außenwelt.
Ein Kammer-Spiel mit Vogel und Minichmayr. Beide sind Ausnahme-Schau-Spieler!
Die Spiel-Chemie zwischen Ihnen stimmt!
Glaubwürdigkeit ist unbedingte Voraussetzung für diesen Stoff!
Wer, wenn nicht die Beiden, könnte das "mit links" hinkriegen?
Also Innenwelt.
Ein, irgendwie, konstruiertes "Schuld-Thema".

Von Anfang an fehlt der "Schuld" die Schuld!
(Im Gegensatz zum freien Willen!)

Deshalb kein, nur, leichter Zugang zur "Gnade".

Aber: Der Gedanke, dass "Schuld" immer auch "Wahrheit" impliziert und "Leere" mit Existenz füllt,
ist fühlbar und nicht bloße Behauptung!

Redakteurin denkt oft:...wieso Film, wieso Landschaft, wieso Norwegen, das ist doch "Ostermayer und Schaubühne"!
Redakteurin denkt das nicht kritisch, sondern hoch-achtungs-voll!

Dann, die filmischen "Dogma"-Zitate!

Dennoch: Kein Lars von Trier, kein "Breaking the Waves"!

Dafür: Glasner, Vogel, Minichmayr!
Dicht! Deutsch! Dufte!
Ganz was Eigenes!



Das sagen Andere:
Die Figuren sind umgeben von Dunkelheit und Eis und Schnee. Glasner hat diese – großartige – Seelenlandschaft so lange abfilmen lassen, bis wir verstehen: Es ist ein Ort, an dem der Mensch nichts zu suchen hat. Wer hier dennoch existieren will, muss Menschlichkeit zulassen. Dazu gehört, Schuld anzunehmen. Und so langsam, wie die Sonne mehr Licht über den Horizont bringt, erwärmen sich auch die Herzen.
"Ich bin Gott", scherzte Glasner nach der Vorstellung seines Films, denn als Regisseur habe er seine Figuren völlig in der Hand. Diesmal ist er barmherzig und lässt ihnen Vergebung zuteil werden. Wann? Zur Mittsommernacht, wenn das Licht am hellsten ist. Im Hintergrund singt der Kirchenchor samische Choräle.Gnade ist ein hervorragend gespieltes Psychodrama, und man kann Glasner Anerkennung entgegen bringen für so viel Klarheit in dem Glauben an seine positive Utopie, dass Vergebung auch unter unwahrscheinlichen Umständen möglich ist. Nicht alle taten dies nach der Premiere am Donnerstag.
http://www.zeit.de/kultur/film/2012-02/film-gnade


Keine Gnade kannte die diesjährige Berlinale. Der Film ging Bären-leer in den Kino-Start!


Kommentare

  1. Dicht, Deutsch, Dufte! Schöne Zusammenfassung!
    Schöner Blog: Gefällt, aber nicht wirklich (selbst-)gefällig.
    Weiter so!

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  2. Danke herzlichst! Tut gut! Find´s auch o.k.!

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  3. Recht guter Film! Sagenhafte Schauspielerleistungen auf jeden Fall! Gruß! Ray! :)

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  4. Danke, das freut uns gewaltig, denn wir sind von Glasner/Vogel auch begeistert!
    Der "freie Wille" war uns damals absolut "Kino-Ereignis"! Gruß zurück!

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