Die wunderbare Frage:

Bin ich Isaak oder bin ich Abraham?

Und wann kommt der rettende Hammel...?


Francisco de Zurbaran, Agnus Dei

Eigenartige Zeiten sind das, in denen wir leben.
Und eigenartige Zeiten sind das gewesen, in denen wir lebten.

Beides wird uns, der Paganini´s-Redaktion, beim Besuch der virtuosen
Ausstellung "Gehorsam" im Jüdischen Museum Berlin gleichermaßen bewusst.
Bevor wir in der altbiblischen MenschenWelt, kuratiert von Peter Greenaway & Saskia Boddeke, landen dürfen, müssen wir uns in der Abflughalle vor den Ticket-Schaltern einer eingehenden Sicherheitskontrolle unterziehen: Leibesvisitation und Handgepäckskontrolle, alles technisch auf dem aktuellen Stand eines Hochsicherheits-Airports.
Das Ticket, hinein in neue Erfahrungswelten, dagegen ist rasch ergattert.
Kein allzu großer Andrang, obwohl doch "Sensations-Ausstellung"!
Der "Flug" ist kurz, nur eine Wendeltreppe lang.
Die Landung, im Dunkel des 1. von 15 Zimmern, lässt dann das Herz doch ein wenig flattern, so nah dran an Peter Greenaway, da kann Einem doch schummrig werden.
Und dann noch das Thema: Abrahams Versuchung, der Sohn als Opfer, der geliebte Sohn, wohlgemerkt!
Ein Video zeigt zur Einstimmung Abraham, Engel und Isaak, sich gegenseitig bedingend, miteinander ringend.
Wir atmen durch und gehen weiter...!
(Wir wissen: Der rettende Hammel wird irgendwann kommen...!)


Doch zuerst einmal kommt nach der Dunkelheit Finsternis.
Schwarze Vorhänge aus dickem Filz sind zu bezwingen, um jeweils in den kommenden Raum vorzudringen.
"Ich bin Isaak" schallt uns mehrstimmig entgegen.
Und: "Ich bin Ismael"!
Wir stehen vor einer riesigen Leinwand und blicken in unschuldige, traurige, schüchterne oder kecke Augenpaare von Kindern und Jugendlichen aus aller Herren Länder.
Ihr Mund bekennt: Ich bin...!
Uns dämmert im Dämmerlicht: In Abrahams Haut hätten wir nicht stecken wollen...!
(Wo ist er denn nun, der rettende Hammel...?)


Christentum, Judentum und Islam, sie alle verbindet diese Geschichte um Abrahams Gottesgehorsam, der wiederum Isaak´s Gehorsam impliziert und im Christentum durch die Opferung Christi am Kreuz seinen Höhepunkt erlebt. Viele Interpretationen und Lesarten werden immer wieder versucht. Ist das ein eifersüchtiger Gott, der grausam gegen die Vaterliebe konkurriert?
 Ist Abraham ein Gehorsamer oder schlicht ein Vertrauender? Geht es nicht auch, in der Tiefe der Geschichte, um die große Frage der Theodizee?
Peter Greenaway und Saskia Boddeke verhandeln in ihrer Ausstellung nicht die Geschichte und die Beziehung von Gott und Mensch, sondern schildern das Ganze als emotionales Drama, das im Menschen lebt und immer lebendig sein wird. So wie die Religionen, Gott, Satan und der Engel allesamt als MenschenGemachtes, dennoch dunkel und auch geheimnisvoll, wie des Menschen Abgründe eben sind, hier zu einem sinnlich und hochemotional aufgeladenen Erlebnispark werden.
"Ich bin ein Engel", raunt Paganini, der Kater
und wir folgen ihm in den "weißen Raum", den Engel-Raum.
Weiße Federn an den Wänden, verwirren ein ausgestopfter, verrenkt liegender Schwan und gerungene Hände, verzweifelt im Gebet um Hilfe rufend, auf dass ein Engel herniederschwebe.
 Ein, zwei, drei klitzekleine rote Flecken, ist das etwa Blut???, sind zwischen den Federn zu erkennen und wir fliehen zu Satan! Vielleicht ist er da, der Hammel?
Satan ist ein rothaariger Transvestit, er schneidet Grimassen und rezitiert seine Wut und wir versinken in Erinnerung. Erinnerung an Peter Greenaway und seine Filme, alles ist gut, kurze Erholung nur, Satan gibt uns den Hammel, für 5 Minuten!


Weiter auf der Suche nach dem Happy End, treibt es uns nun durch weitere Fluchten, einen Raum, der den Müttern von Isaak und Ismael gedenkt, den Frauen, die verzweifelt in der Wüste nach Wasser für Ihre Kinder suchen, den Kindern, die der Vater später opfern will...!
Ein weiterer Korridor, über und über bestückt mit hunderten von perfide geknoteten Seilen.
Solchen Seilen, wie sie der Henker verwendet, oder der Fesselnde oder das Schaf!
Und dann, endlich, stehen wir vor dem Hammel!
Isaak wird verschont bleiben, das "Opfer" findet hier statt, mit ihm, ganz ohne Sohn.
Aber, oh Gott, dafür mit Hammel. Mit was für einem Hammel!
Wir blicken in die klügsten Tier-Augen, die die Welt je gesehen hat, Alles durchschauende Tier-Augen, wollen wir meinen, das schwarze Schaf mit goldenen Hörnern scharrt mit den Hufen
und es wird ihm nicht helfen.
Damien Hirst, man erinnere sich an sein "For the Love of God", gibt dem edlen Tier das ewige Leben in Formaldehyd und wir fragen uns, was besser ist, gegossen in Erz zu stehen oder mit dem Messer an der Kehle zu sterben...!
Wir glauben Angstschweiß und Atem des Hammels zu riechen und eilen hinaus, hinaus ins Licht aus Hier und Jetzt.
"Oder bist Du Abraham?"
werden wir in schwarzen Lettern gefragt und schütteln den Kopf.
Ein zotteliges Stückchen Schaffell weht uns direkt vor die Füße. Wir fangen es auf.
Nun klebt es am Pin-Brett in den Räumen der Paganini´s-Redaktion. 

Nun, wie sieht´s aus?
Seid ihr Isaak oder seid ihr Abraham? 

Und Furcht wird sichtbar, in den Augen des schwarzen Katers.
Eigenartige Zeiten, in denen wir leben werden.





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